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Archiv-Artikel

Geheim und lässig

POP Das Hamburger Trio Die Heiterkeit und ihr fulminantes Debütalbum „Herz aus Gold“

Einfach mal so lange die Klappe halten, bis schließlich alle über einen reden

VON CARLA BAUM

Es herrscht Katerstimmung im Hamburger Szeneclub „Uebel und Gefaehrlich“. Hier hängt der Mief der letzten Nacht in den Möbeln, der Blick schweift durch die kleinen Fenster des Bunker-Gebäudes, in dem sich der Club im obersten Stockwerk befindet, über die Dächer der Hansestadt. Die drei Musikerinnen von Die Heiterkeit sehen aus, als könnten sie sich gerade nirgends wohler fühlen.

Im August wird ihr Debütalbum, „Herz aus Gold“ erscheinen, dessen Stücke dieselbe verkaterte Lässigkeit ausstrahlen wie seine Urheberinnen. Und, klar, genauso lässig klingt dann auch das Reden über die eigene Erfolgsgeschichte.

Stammbar statt Facebook

In ihrer Stammbar lernten sich Sängerin und Gitarristin Stella Sommer und Schlagzeugerin Stefanie Hochmuth 2009 kennen, hatten „Lust, ein bisschen Musik zu machen“. Wenig später kam Rabea Erradi als Bassistin hinzu. Band gegründet, ein bisschen geprobt, reichlich ausgegangen und mit den richtigen Leuten Bier getrunken. „Hamburgs Musikszene ist ja ziemlich überschaubar, da läuft man sich automatisch über den Weg und lernt sich kennen“, sagt Sommer lakonisch. Kein bemühtes Networking, sondern der Lauf der Dinge, wenn man sich ihnen öffnet.

Eine Strategie erwies sich aber doch als fruchtbar, und die lautete: gekonntes Schweigen. Schweigen über den Bandnamen, den es in Wahrheit noch gar nicht gab, über die eigene Musik, einfach so lange Klappehalten, bis alle über einen reden. „Je weniger wir gesagt haben, desto besser hat es funktioniert“, sagt Hochmuth schmunzelnd. In Zeiten omnipräsenter Kommunikation, in denen alles mit Facebook und Co. öffentlich gemacht wird, setzen sich Die Heiterkeit in die Nische des Bedürfnisses nach Unerreichbarem, nach Geheimnisvollem. Wenn jeder die Möglichkeit hat, seine Befindlichkeiten in musikalischen Selbstexperimenten zu veräußern, alle mehr und minder Interessierten digital über den eigenen kreativen Prozess auf dem Laufenden zu halten, tut man offensichtlich gut daran, einen anderen Weg zu gehen.

Musikalisch trifft das Trio jedenfalls den Nerv der Zeit. „Herz aus Gold“ umfasst zwölf Songs. Simple Nummern mit durchlaufendem E-Gitarren-Schrammschramm, Bass, reduktionistischem Schlagzeug und Sommers tiefem, unkonventionellem Gesang, der nur ab und zu sanft nach oben ausschlägt.

Die Lieder scheinen oft keine eindeutige Aussage oder Botschaft bereitzuhalten. Vielmehr tauchen Begegnungen in ihnen auf und Orte, auf die ein leicht vernebelter, aber nachdenklicher Blick geworfen wird. „Alles ist so neu und aufregend, Blumen pflücken am Kanal“, singt Sommer, gut gelaunt, aber so gar nicht aufgeregt. Klar fällt einem da gleich das Klischee der unterkühlten Nordlichter ein, doch es steckt ein Masterplan hinter der Lässigkeit, die die Songs ausstrahlen. „Es geht darum, sich nicht ganz so ernst zu nehmen, das Pathos einfach mal umzudrehen, statt immer nur hervorzuheben, wie schlecht es einem geht“, sagt Hochmuth.

Sommer singt in „Für den nächstbesten Dandy“, dass sie sich diesem „in die Arme werfen“ werde. Das klingt aber nicht nach rauschhaftem Aufbruch, sondern eher nach dem schalen Gefühl, das bleibt, wenn der Rausch vergangen ist. Dem Geschehen wird musikalisch eine Stimmung zugestanden und gleichzeitig eine tiefergehende Bedeutung abgesprochen.

Das funktioniert und weckt den Wunsch, wunderbar belanglose Dinge zu tun und dabei etwa den Song „Heiterkeit“ zu hören: „Gefällt mir gut / ich bin bereit / I touch you with my Heiterkeit.“ Man merkt gar nicht, wie ein Lied aufhört, da hat man die Hooklines und Textfetzen schon mit in den Tag genommen.

Mit Tocotronic wurden Die Heiterkeit bereits verglichen, mit Marlene Dietrich, auch mit Velvet Underground und Nico. Auch, dass hinter der Heiterkeit große Pavement-Fans stecken, bleibt nicht unbemerkt. Überhaupt, das mit den Connections, das können Die Heiterkeit ziemlich gut. Beim Reeperbahn Festival lernten sie letztes Jahr die in Berlin lebende österreichische Band Ja, Panik kennen, es entwickelte sich eine Freundschaft mit gemeinsamen Auftritten, die dem Trio auch zu seinem jetzigen Label verhalf.

Im Frühjahr veröffentlichten Die Heiterkeit mit den Österreichern bereits eine Split-EP. Die Songs für ihr Debüt haben sie gemeinsam mit dem renommierten Produzenten Tobias Levin und Torsten Otto entwickelt. Stefanie Hochmuth wiederum arbeitet im „Uebel und Gefaehrlich“, wo Die Heiterkeit ihren allerersten Hamburger Auftritt hatten. Keine falsche Bescheidenheit also, wenn es um die eigene Musik geht, sondern lieber etwas weiter oben anfangen. „Wir haben gar nicht erst in kleinen Hamburger Clubs gespielt, wie viele lokale Bands“, sagt Erradi. Die haben noch was vor und gehen das ganz lässig an, natürlich.

Die Heiterkeit: „Herz aus Gold“ (Nein, Gelassenheit/Staatsakt/Rough Trade), ab 24. 8. im Handel