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Allein, erziehend

In Bremen leben überdurchschnittlich viele Alleinerziehende – und überdurchschnittlich viele haben keine Arbeit. Die Wanderausstellung „Mittenmang“ macht darauf aufmerksam

Von Teresa Wolny

Neun Fotos hängen im holzgetäfelten Treppenaufgang im Haus der Kirche, darunter jeweils ein Text. Die Menschen auf den Bildern haben vor allem zwei Dinge gemeinsam: Sie sind Frauen und sie sind alleinerziehend. Die Wanderausstellung „Mittenmang“, die im forum Kirche zum letzten Mal zu sehen ist, will die Herausforderungen dieser Familienform zeigen, in der in Bremen mehr als ein Viertel der Mütter und Väter mit minderjährigen Kindern leben. Über 90 Prozent davon sind nach einer Auswertung der Arbeitnehmerkammer Frauen. Die Vernissage der Ausstellung am Mittwochabend ist zugleich eine Diskussion über die Konzepte, die es zu diesem Thema in Bremen gibt. Mit dabei ist Susanne Ahlers, Staatsrätin bei der Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa.

Das Problem ist nicht der hohe Anteil der Alleinerziehenden in Bremen, der 2018 fünf Prozent höher als der bundesdeutsche Durchschnitt lag, da sind sich die Teilnehmer:innen der Debatte einig. Das Problem ist die hohe Arbeitslosigkeit in dieser Gruppe. 2018 waren laut Arbeitnehmerkammer in Bremen nur 66,4 Prozent der Alleinerziehenden erwerbstätig, im bundesweiten Durchschnitt waren es 74,5 Prozent.

Seitdem die Porträts im Januar 2018 zum ersten Mal ausgestellt wurden, sei man keinen Schritt vorangekommen, kritisiert Esther Schröder, wissenschaftliche Referentin für Soziales, Frauen, Arbeit und Gesundheit in der CDU-Fraktion Bremen. Zusammen mit Inge Danielzick hat sie, damals noch als Referentin der Arbeitnehmerkammer, die Interviews mit den alleinerziehenden Frauen für die Ausstellung geführt. Die Anzahl derer, die bei der Existenzsicherung auf Hilfe angewiesen ist, sei im Vergleich zu 2017 sogar gestiegen.

Schröder spricht von einem Teufelskreis, in dem Alleinerziehende oft gefangen sind und aus dem es nur wenig Chancen gebe auszubrechen. Trotz Job seien viele auf staatliche Hilfe angewiesen, weil sie oft nur in Teilzeit arbeiteten. Auch deswegen hätten sie häufig keine Möglichkeit, aus der Grundsicherung herauszukommen, so Schröder. Hinzu komme, dass viele Jobs zu den typischen, schlecht bezahlten Frauenberufen gehörten und die Unterhaltszahlung von dem oder der Partner:in oft nicht durchgesetzt werde. „Obwohl wir für Transparenz gesorgt haben, bin ich völlig unzufrieden mit dem, was wir erreichen“, sagt Schröder.

„Das sind Belastungen, die sind für Maschinen geschaffen.“

Eine Alleinerziehende

Gründe, warum es als Alleinerziehende:r auf dem Bremer Arbeitsmarkt so schwer ist, gibt es mehrere, etwa den, dass die Öffnungszeiten von Kitas mit vielen Arbeitszeiten nicht kompatibel sind. „In Berlin haben staatliche Kitas von sechs bis sechs offen. Das bedeutet natürlich nicht, dass die Kinder die ganze Zeit dort sind, aber in Bremen gilt schon eine Zeit von sieben Uhr morgens als Errungenschaft“, sagt Ahlers und erzählt von Fällen, in denen Familien ins niedersächsische Umland ziehen, weil selbst auf dem Land die Kinderbetreuung oft besser sei als in Bremen.

Eine noch größere Herausforderung als die Kinderbetreuung sei für viele Alleinerziehende aber die eigene gesundheitliche Situation. „Das hat mich am meisten schockiert“, sagt Ahlers. Eine Teilnehmerin, die Beratungen für Alleinerziehende gibt, berichtet von hochgradig überlasteten Müttern. Auch deshalb wird etwa eine vom Jobcenter Anfang 2019 gestartete Maßnahme, um alleinerziehende Frauen ohne Ausbildung in einen Beruf zu bringen, während des Berufseinstiegs mit Coachings begleitet. „Denn die meisten Kündigungen erfolgen in den ersten drei Wochen nach der Arbeitsaufnahme“, erklärt Natascha Hesse, vom Jobcenter Bremen. Dies habe auch mit Überforderung zu tun, der man mit den Coachings begegnen will. Über 70 Prozent der Alleinerziehenden, die in Bremen arbeitslos sind, haben keine abgeschlossene Berufsausbildung.

Doch selbst mit exzellenter Qualifizierung steht man als Alleinerziehende vor riesigen Hürden, wie das Beispiel einer Kapitänin in der Ausstellung zeigt. „Bei den meisten Stellenangeboten wird entweder die Bereitschaft zum Schichtdienst oder uneingeschränkte Reisebereitschaft erwartet. Beides kann ich nicht bieten mit Kind.“ Auch das Bewusstsein der Arbeitgeber muss sich deshalb laut Ahlers in Bremen ändern, dazu gehöre etwa auch die Schaffung von mehr Teilzeitausbildungsplätzen, die in Bremen immer noch selten sind. Diese sind auch Teil eines im Oktober beschlossenen Aktionsplans, mit dem die Situation der Alleinerziehenden verbessert werden soll. Darin geht es vor allem um die Punkte Arbeitsmarktintegration, Kinderbetreuung sowie Beratung und Unterstützung. „Insbesondere berufstätige Eltern müssen vom Staat einfach anders unterstützt werden. Ich finde nicht nur finanziell“, fordert Kerstin, eine der porträtierten Mütter, die als Immobilienkauffrau arbeitet. „Das sind Belastungen teilweise, die sind nicht für Menschen geschaffen, sondern für Maschinen.“

Die Ausstellung „Mittenmang“ ist noch bis zum 27. März im forum Kirche, Hollerallee 75 zu sehen

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