: Jenseits der Anderen
Francesco Friedrich, 29, stellt mit dem sechsten WM-Titel in Serie im Zweierbob einen furiosen Rekord auf. Gedanklich ist er jedoch bereits zwei Jahre weiter
Aus Altenberg Klaus-Eckhard Jost
Da stand er nun im Ziel: Francesco Friedrich. Gerade hat der 29 Jahre alte Bobpilot seinen sechsten Titel hintereinander im Zweier bei einer Weltmeisterschaft gewonnen, war damit zum Rekordmann geworden. Bundestrainer René Spies sprach von einem „historischen Wettkampf“. Seine Fans skandierten auf der Tribüne „Franz, Franz“, die Funktionäre wollten alle persönlich gratulieren, die Medien warteten auf eine schnelle Einschätzung. In diesem hektischen Treiben blieb Friedrich ruhig wie immer. Lediglich das breite Grinsen in seinem Gesicht ließ erahnen, dass dieser Moment auch ihn bewegte.
Um 1,65 Sekunden hatte er den Zweitplatzierten, seinen Teamkollegen Johannes Lochner, deklassiert. Im Bobsport, wo häufig Hundertstelsekunden entscheiden, sind das Welten. Gleich im ersten Lauf hatte Friedrich, angeschoben von Thorsten Margis, den Bahnrekord pulverisiert. 54,00 Sekunden – 48 schneller als bei seiner letzten Rekordfahrt. Seine erste Reaktion: „Wir waren noch etwas zu langsam. Eigentlich hatten wir uns eine 53,99 vorgenommen.“ Auch in den drei folgenden Durchgängen erzielte er die beste Laufzeit. Waren’s also vier perfekte Fahrten? Friedrich schüttelte den Kopf: „Im ersten waren zwei kleine Fehler.“
Zwei Jahre haben der Perfektionist und sein Team sich auf diese Titelkämpfe vorbereitet. Gleich nach den Olympischen Spielen 2018, als er in Pyeonchang Gold im Zweier und im Vierer geholt hatte, fing die Mission „Sechster WM-Titel in Altenberg“ an. Bei unzähligen Trainingsfahrten bei den unterschiedlichsten Witterungsbedingungen hatte er die schnellsten Kufen und das passende Setup herausgearbeitet. Deshalb hat ihn der Wetterumschwung von Samstag auf Sonntag mit höheren Temperaturen und Regen nicht aus der Spur bringen können. Die Ideallinie kennt er sowieso. „Das ist unsere Bahn, wir haben so viel geübt, ich kenne jede Lenkbewegung.“
Bestens kennt Francesco Friedrich auch die Gepflogenheiten im Bobsport. Der Pilot steht stets im Mittelpunkt. Weil ihm das nicht behagt, bringt er zu allen Interviews seine Anschieber mit. „Ich bin mit allen eng“, bekennt Friedrich. Die danken’s ihm mit bedingungsloser Treue. Margis war bei fünf der sechs WM-Titel der zweite Mann. Auch Candy Bauer und Martin Grothkopp gehören schon lange zur Crew. Im vergangenen Winter ist Alexander Schüller dazugekommen. Diese drei werden mit Friedrich die Besatzung im Vierer bilden. Dann, sagt Friedrich, werde Margis das Team unterstützen. „Das ist der Schlüssel unseres Erfolges, wir machen alles zusammen, gehen durch dick und dünn.“
Und was machen die Konkurrenten? Die führen ihre eigene Rangliste. „Das war jetzt die dritte Silbermedaille im Zweier, immer habe ich gegen den Franz verloren“, sagte Lochner. Aber gegen Friedrich zu verlieren sei keine Schande. „Wir können ihn nur bewundern, wie er die Kiste runterzaubert. Deshalb ist für mich Silber genauso viel wert wie der Sieg.“
Wenn’s nach Francesco Friedrich geht, darf’s diese Extrawertung noch länger geben. Noch in der Stunde seines großen Momentes dachte er weiter. „Nächstes Jahr kommt mit Lake Placid noch eine schwere Bahn“, sagte er, „da werden wir auch wieder Gas geben.“ Im Jahr darauf möchte er der erste Bobpilot sein, der ein zweites Mal Olympia-Gold im Zweier und Vierer gewinnt. Und 2023 findet die WM in St. Moritz statt. Auf der Natureisbahn hat 2013 die Serie begonnen. „Mit einem Titel würde sich der Kreis schließen“, sagt Friedrich. Und grinst.
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