wortwechsel
: Reaktionen der Leser*innen nach Hanau

Soll die AfD durch den Verfassungsschutz beobachtet werden oder muss das Waffengesetz verschärft werden? Warum dieses „Ihr“ und „Wir“? Und woher kommt der „Fremdenhass“?

Beerdigung von Merzedes K. in Hanau Foto: Boris Rössler/dpa

Hanau, Halle, Kassel

„Im Terrorwahn“,

taz vom 21. 2. 20

Hanau, Halle, Kassel, NSU ... Wie soll nun die Antwort lauten: Beobachtung der AFD durch den Verfassungsschutz und mehr Polizei? Nein.

Wenn wir in Deutschland keine amerikanischen Verhältnisse bekommen wollen, muss das Waffengesetz verschärft werden. Ich fühle mich nicht sicher, wenn meine Nachbarn Waffen bei sich zu Hause halten dürfen – egal welche Partei sie wählen. Ich fühle mich ebenso nicht sicher, wenn selbst in den Institutionen, die für die Sicherheit zuständig sein sollten (Polizei, Verfassungsschutz, BND, Bundeswehr), die rechte bis rechtsextremistische Denke so verbreitet ist. Gerade ein Bundesland wie Hessen ist davon stark betroffen.

Ich hätte gerne, dass die NSU-Akten des hessischen Verfassungsschutzes sofort veröffentlicht werden und nicht 120 Jahren unter Verschluss bleiben. Ich hätte gerne, dass der Verfassungsschutzmitarbeiter Andreas Temme, der den NSU-Mord in Kassel unmittelbar mitbekommen hat, endlich angeklagt wird. Schließlich: Es braucht ein klares politisches Bekenntnis zur Würde und Gleichberechtigung der Menschen.

Parteien, die die Würde des Menschen negieren, haben in demokratischen Parla­menten nichts zu suchen – gerade in Deutschland nicht. Zu viele Menschen werden in diesem Land immer noch als Menschen zweiter oder dritter Klasse behandelt.

Davide Brocchi, Köln

Konkrete Maßnahmen

„Im Terrorwahn“,

taz vom 21. 2. 20

Ich kann die Trauerreden unserer Politiker nicht mehr hören, weil sie allesamt nicht bereit sind, konkrete Maßnahmen gegen Sport­schützen, zu denen der Mörder von Hanau gehörte, zu ergreifen. Seit 1990 haben Sportschützen 270 Menschen auf dem Gewissen. Nach dem Schul­massaker in Erfurt und Winnen­den durch Sportschützen wurde nicht dafür gesorgt, dass diese ihre Wettkämpfe nur noch mit Druckluft- und Lichtpunkt­waffen, wie sie bei den Olympischen Spielen üblich sind, ausüben dürfen. Nach dem Schulmassaker in Dunblane ist in Großbritannien ein entsprechendes Gesetz verabschiedet worden. Wie lange können in Deutschland Vorbestrafte, Alkoholiker, Drogen­kon­sumenten, Islamisten in einen Sportschützen­verein eintreten? Nach den Trauerreden wird außer leeren Versprechungen nichts, aber auch nichts getan werden, um weitere Morde zumindest zu erschweren.

Ludger Schiffler, Berlin

Mutter vergessen

Titelseite mit Namen der Ermordeten,

taz vom 22. 2. 20

Leider habt ihr auf der Liste der Ermordeten die Mutter des Attentäters vergessen. Sie gehört auch zu den Opfern. Vielleicht war sie mit den Aktivitäten ihres Sohns nicht einverstanden, hat ihm gegen seinen Rassismus die Stirn geboten, auch wenn nicht, so schlimm auch das wäre, sie ist tot und auch ein Opfer rassistischer Gewalt, einfach so, weil sie die Mutter war, Objekt von Projek­tionen, erweiterter Suizid? Gibt es da einen Grund, einen Unterschied zu machen.? Ich spreche aus meiner Perspektive der eigenen Mutterrolle, Sippenhaftung. Wir wissen auch nicht, welche Gesinnung die Getöteten, die anderen Toten hatten? Es sind alles unschuldige Menschen, die getötet wurden. Ihr wolltet die Opfer sichtbar machen, die Mutter habt ihr vergessen.

Ulrike Burzlaff Bielefeld

Gift des Rassismus

„Entsetzen nach dem Terroranschlag in Hanau“,

taz vom 21. 2. 20

Zur Betroffenheitslyrik vieler Politi­ker möchte ich Folgendes hinzufügen: Politiker haben angekündigt, das „Gift des Rassismus“ zu bekämpfen – aber bitte nicht wieder bloß mit Globuli! Es genügt schon längst nicht mehr, die Polizei­präsenz zu erhöhen und sensible Einrichtungen stärker zu überwachen. Die zuständigen Sicherheits­behörden müssen endlich aus ihrer Gleichgültigkeit und Passivität aufwachen. Warum ist eine Staatsanwaltschaft erst jetzt auf die dubiosen Machenschaften des Vereins Uniter aufmerksam geworden, während kritische Medien (nicht zuletzt die taz) schon seit Langem ihre Recherchen veröffentlicht haben? Politiker und Behörden sollten nicht nur das Ausblenden des Rechtsterroris­mus beenden, sondern auch aufhören, Antifaschisten zu diffamieren und deren Arbeit zu behindern, zum Beispiel durch den Entzug von Gemeinnützigkeit.

Marlies Beitz, Burgholz

Die und Wir

„Ihr Rückzugsraum“,

taz vom 22. 2. 20

Ausschließeritis auch in der taz. Ich kann dieses Unterteilen in „Die“ und „Wir“ von Menschen mit Migra­tions­hintergrund nicht mehr hören. Es sind Menschen. Mitmenschen. Mitbürger. Von mir redet auch niemand als einem Menschen mit Frühverrentungshintergrund.

Ulrich Stromberg, Soest

Kampf gegen Rassismus

„Kerzen im Wind“,

taz vom 22. 2. 20

Der Kampf gegen den sich in Deutschland immer mehr ausbreitenden mörderischen Rassismus und Muslimhass lässt sich nur gewinnen durch den konsequenten Kampf gegen den politisch-parlamentarischen Arm der Nazi-Terroristen, die rechte Verschwö­rungs­lügen vom „großen Bevöl­kerungs­austausch“ verbreitende, seit Jahren rassistisch hetzende AfD. Schon eine Kurzrecherche im Internet zeigt, dass die blauen Rassisten seit Monaten in ganz Deutschland gegen Schischabars hetzten. Die AfD muss von einem reformierten, eigene Verstrick­ungen aufarbeitenden und parlamentarisch sehr viel effektiver kontrollierten Verfassungsschutz mit allen Mitteln beobachtet werden, um die dort wachsenden Gefahren für unsere Demokratie aufdecken und wirksam bekämpfen zu können.

Gerald Lindenberg, Kassel