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Durch einen Seitensprung gezeugt

Wie hältst du es mit Jesus? Das Jüdische Museum untersucht das Verhältnis von Islam und Judentum zum Christentum

Von Marlene Militz

Israel Yuval betritt die kleine Bühne, stellt sich ans Rednerpult und lächelt verschmitzt ins Publikum. Er werde jetzt über seinen „fellow countryman“ sprechen: Jesus. Dieser sei nicht nur wie er aus dem gelobten Land gekommen, sondern sei außerdem ein „fellow Jew“. Sei er doch erst nach seinem Tod zum Christ geworden. Das Publikum lacht.

Es ist voll im Klaus Mangold Auditorium des Jüdischen Museums, in dem an diesem Abend die Podiumsdiskussion mit dem Titel „Wie hältst du es mit Jesus?“ stattfindet. Sie ist Teil der dialogischen Ringvorlesung „Der Glauben der Anderen – Weltreligionen im Spiegel von Judentum und Islam“, die sich mit dem vielschichtigen Verhältnis der beiden Religionen zueinander und zu anderen Weltreligionen beschäftigt. Zwei der insgesamt sechs Podiumsdiskussionen fanden bereits statt.

An diesem Abend geht es um die theologischen Beziehungen zu einer verwandten Religion: dem Christentum. Eingeladen sind Israel Yuval, Professor für Jüdische Geschichte an der Hebräischen Universität Jerusalem, und Maha El Kaisy-Friemuth, die Professorin für Islamisch-Religiöse Studien an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg ist. Nach ihren Vorträgen wollen sie ein Gespräch über Gemeinsamkeiten und Unterschiede führen.

Yuval fährt nach seinem anfänglichen Späßchen fort. Jesus werde im Judentum als eine historische Person anerkannt – nicht aber seine göttliche Herkunft. Der Historiker erzählt die Beziehung der bekanntermaßen mehr als nur verschwägerten Religionen nach. Die Anschuldigung, die Juden hätten Jesus umgebracht, sei schon im frühen Mittelalter das zentrale Problem dieser Beziehung. Dieser Vorwurf wurde zur Rechtfertigung für den ersten Kreuzzug im Jahr 1095. Dabei stimme das gar nicht: die Römer haben Jesus gekreuzigt, nicht die ­Juden. Also wurde in mittelalterlichen jüdischen Schriften spöttisch zurückgeschossen. Dafür hat man die wundersame Geschichte von Jesu Geburt kurzerhand uminterpretiert: Demnach gab es keine „Jungfrauengeburt“ Mariens. Stattdessen sei Jesus durch einen Seitensprung gezeugt worden und somit nicht göttlicher Abstammung, sondern ein „Bastard“. Spätestens seit Mitte des 20. Jahrhunderts werde die Herkunft Jesu aber nicht mehr verspottet. Dies könne auch damit zu tun haben, dass das jüdische Volk endlich wieder einen eigenen Staat hat, sagt Yuval.

Auch Maha El Kaisy-Friemuth beginnt ihren Vortrag mit der Geschichte der Geburt Jesu. Im Islam ist diese aber keine Spottgeschichte, sondern Teil des Korans. Jesus ist einer der wichtigsten Propheten im Islam. Dies könne sich dadurch erklären, dass der historisch junge Islam sich als Kontinuität der beiden älteren Religionen versteht. Das habe zur Folge, dass die zentralen Figuren des Juden- und Christentums kompromisslos als heilig übernommen werden mussten, sagt El Kaisy-Friemuth.

Das hinderte aber nicht daran, die Geschichte von Jesu Geburt deutlich abzuändern. Der Koran erzählt, Maria sei allein gewesen, als sie das Kind unter einer Palme zur Welt brachte. Anschließend beugte sich die Palme tief zur Erde, sodass Maria ihre Datteln pflücken und essen konnte. Die Geburt ohne Vater gilt im Islam als Wunder, welches die besondere Stellung Jesu hervorhebe. Entgegen dem christlichen Glauben beweise das aber nicht eine göttliche Herkunft.

Es war nicht Jesus, der ans Kreuz genagelt wurde, sondern jemand anderes

Auch die Passionsgeschichte wird im Koran anders erzählt. Demnach war es nicht Jesus, der ans Kreuz genagelt wurde, sondern jemand anderes, den man für ihn hielt. Es gebe keinen Grund, Jesu so einen schmerzvollen Tod für die Sünden der Menschheit sterben zu lassen, denn im Islam existiert das Konzept der Erbsünde nicht. Jeder Mensch wird rein geboren. So wird der Kern der christlichen Theologie – die Kreuzigung Jesu, des Erlösers – ausgehebelt.

Als El Kaisy-Friemuth und Yuval ins Gespräch kommen, zeigen sich schnell Gemeinsamkeiten im Verhältnis zum Christentum. In beiden Religionen herrsche eine Skepsis bis hin zur strikten Ablehnung des christlichen Konzepts der Dreifaltigkeit, die oft als polytheistisch fehlinterpretiert werde. Auch die große Bedeutung des Glaubens und die tiefe Spiritualität unterscheide das Christentum. „Im Judentum ist nur wichtig, was du tust, und nicht, was du denkst“, bemerkt Yuval.

Am Ende erzählt El Kaisy-Friemuth von einer Abspaltung arabischer Muslime, die zu Maria beteten und für sie Kirchen bauten. Andererseits gibt es die Messianischen Juden, die an Jesus als Messias glauben, aber weiterhin jüdische Bräuche zelebrieren.

Die nächste Veranstaltung findet am 12. März statt: „Auf dem Weg zur Erleuchtung – Judentum, Islam und Buddhismus“

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