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: Auf dem Trockenen

Fitness-Influencerinnen raten davon ab, Wasser zu trinken. Neu ist das nicht

Während meine Kolleg:innen malochen, liege ich für 20 Minuten auf einer Liege in der Nachbarschaft der taz und lasse mir Schmerzen zufügen. „Wenn es nicht weh tut, ist die Behandlung schlecht“, sagt die Physiotherapeutin und dass ich ganz bestimmt den Tag über Schmerzen haben werde, warnt sie mich, die dann aber gegen Abend besser werden, beruhigt sie mich. Ob ich viel trinke, fragt sie dann. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. „Genug“, möchte ich gern sagen, aber ich weiß schon, dass das die falsche Antwort ist.

Also krame ich in meinem Gedächtnis und zitiere einen alten FAZ-Artikel: „Was bei den Diskussionen um den echten oder vermeintlichen Wasserbedarf oft sprichwörtlich untergeht: Der menschliche Organismus verfügt über eine Reihe von Regulationsmechanismen, die Flüssigkeitsverlusten äußerst effizient entgegenwirken. Durst ist einer davon. Dass dieses entwicklungsgeschichtlich bewährte Alarmsignal nicht richtig funktionieren soll, wie von der Trinklobby insinuiert, erscheint aus Evolutionssicht aber wenig plausibel.“ Bemerkenswert, wie mein Gedächtnis funktioniert, obwohl ich so wenig Wasser trinke!

Doch die Physiotherapeutin kontert knallhart: „Ich frage das, weil ihre Muskeln verklebt sind, vor allem hier.“ (drückt) – „Aah!“ – „Hier.“ – „Aua!“ „Und nicht zuletzt da.“ – „Aaarghl!!“

Dann bin ich entlassen. Erschöpft kaufe ich mir einen Kaffee und trinke extra kein WASSER dazu. Zurück in der Redaktion fehlt ein kurzer Text. Plötzlich soll ich etwas über eine österreichische Influencerin schreiben, die bei Instagram „Trockenfasten“ propagiert hat, seit vier Monaten kein schmutziges Wasser aus dem Hahn oder „totes“ Wasser aus der (Plastik-)Flasche trinkt und sich nun gegen die Kritik der Altmedien wehrt: „Viel (!) glauben ich lüge und kapieren die message nicht. Ich trinke! Aber ich trinke eben kein Wasser!“

Warum ich, frage ich? Weil ich 20 Minuten bei der Physiotherapie war? Weil meine Muskeln verklebt sind? Ist das jetzt hier schon wie in den sozialen Medien, wo man mit Werbung überschwemmt wird für Dinge, an die man gerade mal gedacht hat? Es hilft alles nichts, ich muss ran, denn der Praktikant macht bereits ein Interview und der andere freie Kollege schreibt zu Hause an einem Text über Wurmlöcher und ist schon beim ersten Bier. Okay, sage ich also, ich mache es. Aber erwartet euch nicht zu viel.

Ambros Waibel