piwik no script img

Australien will noch mehr Kohle fördern

„Weshalb sollte irgend-jemand Australien trauen?“

Bec Strating, Politologin, Uni Melbourne

Die konservative australische Regierung wird kontrolliert von „Terroristen“. Das ist nicht etwa die Einschätzung eines linksradikalen Kritikers, sondern das Fazit des früheren, ebenfalls konservativen Premierministers Malcolm Turnbull. Seine Analyse: Eine Gruppe extremistischer Klimawandelleugner sei in der Regierungskoalition derart einflussreich, dass sie vom Rest der Partei fordern könne, „tut was wir sagen, sonst sprengen wir den Laden in die Luft. Politisch natürlich, nicht mit einer Bombe“, so Turnbull jüngst. Er war 2018 Jahren selbst Opfer eines Putsches dieser „Terroristen“ geworden, weil er ihnen zu progressiv schien. Scott Morrison löste ihn damals ab, er amtiert bis heute als australischer Premierminister. Bisher hat er die Putschisten nicht enttäuscht.

Wer gehofft hatte, die Feuerkatastrophe Down Under würde den Einfluss der Klimawandelleugner schmälern, sieht sich getäuscht. Morrison, der noch vor wenigen Jahren einen Klumpen Kohle ins Parlament brachte und meinte, man müsse vor dem erwiesenen Klimakiller „keine Angst haben“, gestand zwar nach massivem Druck zögernd ein, Klimawandel habe einen Einfluss auf die Feuer – „unter anderem“. Trotzdem verfolgte die Regierung schon seit den ersten Rauschschwaden eine Politik der Ablenkung. Brandstifter und jahrelang liegen gebliebene trockene Äste und Blätter seien der wahre Grund für die Feuersbrünste gewesen, behaupten diese Politiker. Die Schuldzuweisung an „Grüne und Linke“, die sich angeblich gegen das präventive Abrennen von Wäldern wenden, wird von den Boulevardblättern des Medienbarons Rupert Murdoch verstärkt.

Dabei hatten Wissenschaftler schon vor Jahren vor genau einem solchen Extremszenario gewarnt. Die Intensität und Aggressivität der Feuer sei eine Folge der globalen Erwärmung, zu der Australien maßgeblich beiträgt. Aus­tralien ist der drittgrößte Exporteur fossiler Brennstoffe auf dem Globus, so die Denkfabrik Australia Institut. Gleichzeitig platziert der Climate Change Performance Index 2019 Australien bezüglich Treibhausgasemissionen, Energieverbrauch und Klimapolitik auf den letzten Platz der 57 weltweit ausstoßstärksten Länder. Australien ist einer der höchsten Pro-Kopf-Produzenten von Kohlenstoff auf der Welt.

Und das soll auch so bleiben, wenn es nach dem Willen der Regierung Morrison geht. Die Regierung in Canberra argumentiert, Australien trage „mit nur 1,3 Prozent der weltweiten Treibhausemissionen“ mit seinem offiziellen Ziel einer Reduktion um 26 Prozent bis 2030 genügend zum globalen Klimaschutz bei. Parallel dazu kurbelt Morrison den Export von Kraftwerkskohle nach Indien an. In einem Bericht wird argumentiert, dass die Ausrichtung auf den „boomenden Strommarkt“ Indiens potenziell 4.000 Arbeitsplätze schaffen und Milliarden australische Dollar für die Wirtschaft bringen würde.

Im Bundesstaat Queensland baut die indische Firma Adani eine der größten Kohleminen der Welt. Die Unterstützung dieses von Morrison mit Steuergeldern unterstützten, aber heftig umstrittenen Projekts durch den Siemens-Konzern hat den Konflikt jüngst auch nach Europa getragen.

Nur „eskalierender Druck aus dem Inland und Ausland wird dazu führen, dass Untätigkeit und Klimaleugnerei zu einer unhaltbaren Option für Regierungen werden“, meint die Politologin Bec Strating von der LaTrobe-Universität in Melbourne. „Weshalb sollte irgendjemand Australien trauen, wenn es um Klimawandel geht?“ Urs Wälterlin

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen