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Fetter Arsch weit vorn

Thomas Dreßen wird bei der Lauberhorn-Abfahrt Dritter und meldet sich nach Verletzungspause zurück in der Weltspitze. Für ihn ist das nicht überraschend

Gut in Schuss: Thomas Dreeßen lässt die Lauberhorn-Abfahrt hinter sich Foto: F.: Tacca/dpa

Aus Wengen Elisabeth Schlammerl

Thomas Dreßen wusste, was er tat. Oder besser: warum er etwas nicht tat. Während Zimmerkollege Manuel Schmid seine Tasche am Abend vor dem großen Lauberhornrennen packte, um die Abreise nach der Rückkehr zu beschleunigen, lehnte sich Dreßen erst einmal zurück. Er habe es nicht eilig, ließ er wissen, er müsse ja nach der Abfahrt sowieso noch zur Siegerehrung am Abend.

24 Stunden später stand Dreßen tatsächlich auf der Bühne im sogenannten Weltcup-Dörfli in Wengen. Zusammen mit dem Schweizer Beat Feuz, der bereits zum dritten Mal am Lauberhorn gewann, und Dominik Paris. Der Südtiroler war am Nachmittag zwei Hundertstelsekunden schneller als Dreßen gewesen.

Es nicht überliefert, was Schmid, der als 13. am Samstag sein bestes Weltcup-Resultat geschafft hat, von der Ankündigung seines Mannschaftskollegen hielt. Auf jeden Fall war sie sehr mutig nach den beiden Tagen zuvor, „denn da waren doch ein paar Hoppalas“, fand Cheftrainer Christian Schwaiger. Ein Sturz im Training nach der Ziellinie, ein verkorkstes Ziel-S in der Kombinationsabfahrt – deshalb hatte sich die Zuversicht im Team in Grenzen gehalten. Aber herausragende Abfahrer können sich eben gut einschätzen.

„Thomas ist jemand, der gut kalkuliert“, sagt Schwaiger. „Er ist keiner, der sich runterstürzt, ohne zu überlegen“, sondern mit einer klaren Strategie in ein Rennwochenende geht. Dazu gehört, im Training etwas zu probieren, von dem man nicht weiß, ob es funktioniert. Bei der Kombinationsabfahrt versuchte er es im Schlussteil mit einer frechen Linie und wäre beinahe gestürzt, weil er, wie er zugab, nicht „richtig über dem Ski stand“. Einen Tag später war er dort der Schnellste. „Der Unterschied war, dass ich dieses Mal meinen fetten Arsch nach vorne bewegt habe“, stellte Dreßen unverblümt fest. Er lege sich einen Plan zurecht, sagt er, „den ich dann im Rennen umsetze“.

Es ist kein Zufall, dass auf dieser Strecke mit vielen technischen Schwierigkeiten jene drei Läufer ganz vorne lagen, die in dieser Saison bereits mindestens einen Abfahrtssieg geschafft haben: Dreßen in Lake Louise, Paris in Bormio und Feuz in Beaver Creek. Allerdings mag Schwaiger seinen Athleten noch nicht auf eine Stufe der ein paar Jahre älteren Feuz (32) und Paris (30) heben. „Die beiden sind jedes Wochenende fähig zu gewinnen“, sagt der Cheftrainer. „Aber ich habe im Moment nicht das Gefühl, dass Thomas jede Woche dazu fähig ist. Er hat zwar den Speed, aber bei gewissen Abfahrten braucht er noch die Routine.“ Geschuldet sei dies aber auch der einjährigen Zwangspause im vergangenen Winter. „Ich bin überzeugt, dass er schon so weit wäre, hätte er sich nicht verletzt.“

Vielleicht fehlt Dreßen an manchen Tagen noch gelegentlich das, was als „Urvertrauen“ gilt und was man Feuz nachsagt. „Wenn man schon vier-, fünf-, sechsmal an einem Ort war, muss man sich nur noch über das Rennen Gedanken machen“, berichtete Feuz jüngst der Neuen Zürcher Zeitung.

Anders als Feuz ist Paris kein Spezialist für die Lauberhorn-Abfahrt, sondern vor allem für technisch schwierige Pisten. „Vielleicht weil ich in der Lage bin, diese Pisten zu lesen und irgendwie zu verstehen“, hatte er einmal erklärt. Feuz hingegen kämpft eher mit Pisten, die brachial zu fahren sind. Und Dreßen? Kann beides, nur nicht immer.

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