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Trumps Schlag gegen Iraks Reformbewegung

Gerade hatten die Iraker die iranhörigen Kräfte im Land in die Ecke gedrängt – dann schlug der US-Präsident zu. Der Protestbewegung hat Trump einen Bärendienst erwiesen

Unerwünschte Gäste: US-Soldaten überblicken das Botschaftsviertel in Bagdad Foto: reuters

Von Karim El-Gawhary, Kairo

Es gibt ein Sprichwort, das derzeit im Irak häufig zitiert wird: „Wenn zwei Elefanten kämpfen, dann leidet das Gras.“ Die Iraker wissen: Nach der Tötung des iranischen Generals Qasim ­Soleimani wird ihr Land mit den dort stationierten US-Truppen und den vom Iran kontrollierten Milizen eine der Hauptfrontlinien im USA-Iran-Konflikt sein. Die Iraker werden die Zaungäste sein.

Die gigantischen Trauerfeierlichkeiten für Soleimani im Iran verheißen nichts Gutes. Die enorme Mobilisierung der Iraner und die Appelle an ihren Nationalismus und die schiitische Ehre, die gerächt werden müsse, sprechen dafür, dass das iranische Regime als Antwort nicht nur gesichtswahrende Aktionen, sondern Größeres plant. Erklärtes Ziel Teherans ist es, die US-Truppen aus der gesamten Region zu vertreiben. Die US-Truppen im Irak sind so etwas wie niedrig hängende Früchte, die darauf warten, gepflückt zu werden. Ihnen das Leben mithilfe der schiitischen Milizen militärisch schwer zu machen, dürfte ein Kinderspiel sein.

Die zweite Ebene ist eine politische: Zunächst hat das irakische Parlament am Sonntag einen Abzug der im Irak stationierten US-Truppen gefordert – allerdings nur im Beisein der schiitischen Parteien und in Form einer nicht bindenden Resolution. Sunnitische und kurdische Parteien hielten sich zurück. Nun soll der irakische Premier Adel Abd al-Mahdi die Angelegenheit weiterdrehen. Dafür gibt es allerdings keinen zeitlichen Rahmen.

Momentan ist die Zeit der flammenden Reden. Hinter den Kulissen dürfte es aber ruhiger zugehen. Dort wird wohl diskutiert, was ein US-Abzug konkret für Auswirkungen auf den Kampf gegen den sogenannten „Islamischen Staat“ (IS) haben würde. Apropros IS: Deren Vertreter dürften sich angesichts der Suleimani-Krise ins Fäustchen lachen, gehen sich doch jetzt ihre Hauptgegner, die USA und die schiitischen Milizen, gegenseitig an die Kehle.

Und während es im Irak in Sachen US-Truppenrückzug wahrscheinlich pragmatisch zugeht, hält es US-Präsident Donald Trump mit flammenden Tweets und droht den Irakern noch nie dagewesene Sanktionen an, sollten sie die US-Truppen des Landes verweisen. Ob er das macht, weil ihm bewusst ist, wie sank­tions­traumatisiert die Iraker sind, nachdem sie zu Zeiten Saddam Husseins jahrelang unter UN-Sanktionen litten, sei dahingestellt.

Vertreter des IS dürften sich angesichts der Suleimani-Krise ins Fäustchen lachen

Eine andere Lektion hat Trump sicherlich nicht gelernt: Sanktionen sind zwar ein Ins­tru­ment der Bestrafung, sie sind aber ein denkbar schlechtes Mittel, die Machtverhältnisse in einem Land von außen zu verändern. Meist erreichen sie das Gegenteil und schweißen die Bevölkerung zusammen.

Und die hat im Irak in den letzten Monaten alles andere als zusammengehalten. Monatelang ging im vergangenen Jahr eine Protestbewegung auf die Straßen, gegen die konfessionelle Politik, gegen die schiitischen Milizen und Parteien, die seit Jahren in ihre eigenen Taschen wirtschaften – und damit auch gegen den iranischen Einfluss. Die Proteste waren eine überkonfessionelle Bewegung, an der überdurchschnittlich viele Schiiten teilnahmen, die sich damit gegen ihre eigene politische Führung wandten. Die meist jungen Iraker, die eine Neuwahl und eine völlig neue Politik einforderten, hatten die Satelliten Teherans im Irak gegen Ende des letzten Jahres politisch in die Ecke gedrängt.

Doch dann kam Trump und um die irakische Reformbewegung wurde es still. Jetzt bestimmen wieder die schiitischen Milizen und Parteien die Szene. Das wahrlich Tragische dabei: Hätte man es den Irakern überlassen, einmal selbst auszuhandeln, wer sie politisch führt, dann hätte der Einfluss des iranischen Regimes wahrscheinlich von ganz allein und vor allem nachhaltig nachgelassen. Stattdessen spielt Trump jenen Iranhörigen, die von einer konfessionell getriebenen Politik profitieren, mit der Tötung ­So­lei­manis in die Hände.