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Helmut Kleinicke, einer von 27.362 Gerechten

Yad Vashem zeichnet einen Deutschen aus, der 1942 im besetzten Polen viele Juden rettete

Von Klaus Hillenbrand

Dies sei „einer der schönsten Tage in meinem Leben“, sagt Josef Königsberg. Der 95-Jährige steht am Dienstagnachmittag in der Residenz des israelischen Botschafters in Berlin. Wenige Meter entfernt von ihm ist ein Foto aufgestellt. Es zeigt einen Mann mit lichtem Haar und schwarzer Brille. Helmut Kleinicke ist schon 1979 verstorben. Doch Königsberg ist ihm für immer dankbar. Das damalige NSDAP-Parteimitglied hat ihm das Leben gerettet. 1942 war das, und Kleinicke war als Kreisbaumeister von Chrzanów im deutsch besetzten Polen eine Respekt­person – Königsberg aber ein verfolgter Jude im Ghetto.

Für die Rettung erhält Kleinicke posthum die Auszeichnung als „Gerechter der Völker“ durch die israelische Gedenkstätte Yad Vashem. Seine Tochter Jutta Scheffzek nimmt die Auszeichnung, eine Medaille und eine Urkunde, entgegen. Wer immer ein Menschenleben rettet, hat damit gleichsam eine ganze Welt gerettet, steht dort geschrieben, ein Spruch aus dem Talmud.

Es war Anfang 1942, als die SS den Juden des Ghettos befahl, sich auf dem Marktplatz von Chrza­nów zu versammeln. Die Deportation in KZ und Vernichtungslager stand dem 17-jährigen Königsberg bevor. Bis Kleinicke auftauchte, in dessen Haus er bis dahin putzen musste. „Den nehmen Sie nicht mit, den nehme ich mit“, habe Kleinicke einem SS-Mann gesagt und behauptet, dass Königsberg sein bester Arbeiter sei. Die SS ließ ihn gehen.

Es war beileibe nicht die einzige Rettungstat Kleinickes. Spiegel Online, das ZDF und die Journalistin Antonia Yamin haben bei ihren Recherchen zehn noch lebende frühere jüdische Bewohner von Chrzanów gefunden, die ihr Leben dem Bauingenieur verdanken. Er versteckte sie im Keller und in einer Gärtnerei. Sie nannten ihn „einen Engel“. Doch die Dankesbriefe, die Kleinicke nach dem Krieg von den Geretteten erhielt, beantwortete er nicht. Ihr Vater sei „ein Mann der leisen Töne“ gewesen, sagt Jutta Scheffzek, der nicht im Mittelpunkt habe stehen wollen.

Warum verhielt sich Helmut Kleinicke menschlich? 1931 war er der NSDAP beigetreten. Im folgenden Jahr verließ er die Partei wieder, nur um 1933 erneut Mitglied zu werden. Ihr Vater sei damals wohl Opportunist gewesen, meint Jutta Scheffzek. Der Arbeitslose habe sich wohl durch den Parteieintritt einen Job versprochen, den er dann auch erhalten habe. Historiker fanden heraus, dass Hilfe für Juden aus allen sozialen Schichten kamen, von Frauen und Männern, von Alten und Jungen, von Linken und Konservativen – und eben, höchst selten, auch von Angehörigen der NSDAP.

Josef Königsberg ist später doch noch in mehrere Konzentrationslager verschleppt worden. Kleinicke wurde, seine Hilfen für Juden waren wohl ruchbar geworden, 1943 zur Wehrmacht eingezogen und überstand den Krieg mit einem Hörschaden.

„Sein Name bedeutet, dass nicht alle Deutschen Mörder und Verbrecher waren“, sagt Josef Königsberg am Dienstag über seinen Retter. Kleinicke war eine seltene Ausnahme, aber ganz allein war er nicht: Yad Vashem hat bis heute 27.362 Menschen als „Gerechte unter den Völkern“ geehrt. 627 von ihnen sind Deutsche.

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