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Im Zweifel für den Preis

Ein Antrag von Grünen, SPD und Linken fordert mehr Bioprodukte und weniger Fleisch aus Massentierhaltung an Bremer Hochschulmensen. Wer dafür zahlen soll, ist noch unklar

Von Sophie Lahusen

Uni-Mensa Bremen, zwölf Uhr. Es ist so sicher wie das Amen in der Kirche: Essen 1 kostet 2,35 € und für 1,35 € gibt es die Option Nummer 2. Extrem günstig für ein vollwertiges Mittagessen, wobei das Wort „vollwertig“ für viele Auslegungssache ist. Für Jan Saffe, Sprecher der Grünen für Ernährung und Landwirtschaft, ist die Speisekarte der Uni-Mensa in Bremen nicht mehr zeitgemäß. Die Auswahl an Gerichten sei extrem fleischlastig und die günstigen Preise laden zu Fleischkonsum ein, so Saffe. Er selbst ist Vegetarier. Nach eigenen Angaben habe er sich oft „ins Feld“ begeben und Studierende mit einer dampfenden Portion Kohl und Pinkel in der Mensa gefragt, wieso sie sich genau für dieses Gericht entschieden haben: „Weil es günstig und lecker ist“, habe man ihm immer wieder geantwortet.

Hintergrund der spontanen Feldforschung des Grünen-Politikers ist ein Dringlichkeitsantrag, den er der Bürgerschaft Ende letzten Jahres zusammen mit anderen Bürgerschaftsabgeordneten aus SPD und Linken vorgelegt hat. Es geht um die Forderung, den Anteil an Bio-Produkten in den Hochschul-Mensen in Bremen und Bremerhaven zu erhöhen und den Anteil an Fleisch aus Massentierhaltung zu reduzieren. Die politische Grundlage dafür bietet der „Aktionsplan 2025 – für gesunde Ernährung, gegen den Klimawandel“, der Anfang 2018 im Senat beschlossen wurde und seine Anwendung schon in öffentlichen Kantinen wie in Schulen, Kindergärten und Krankenhäusern gefunden hat. Nun soll der Prozess hin zu mehr Bio-Produkten und weg von Billigfleisch-Gerichten auch an den Bremer Hochschulen eingeleitet werden, doch „so einfach ist das nicht“.

So zumindest Maurice Mäschig, Pressesprecher des Studierendenwerks in Bremen, zuständig für die Hochschul-Mensen. Die Forderungen der Politik stünden nicht im Widerspruch zur Philosophie des Studierendenwerks, so Mäschig. Doch das grundlegende Problem läge nicht bei ihnen, sondern sei ein logistisches: „Bio-Produkte in diesen Mengen sind im Kreis Bremen einfach nicht verfügbar.“ Ungefähr 12.000 Gerichte werden in den Bremer Mensen täglich verkauft. Eine Zahl, die, so Mäschig nicht mit den Größenordnungen eines Kindergartens oder einer Schule zu vergleichen sei, wo der „Aktionsplan 2025“ bereits läuft.

Elf Prozent des Angebots an Bremer Hochschulmensen kommt bereits aus zertifiziert nachhaltiger Landwirtschaft. Wäre die nötige Verfügbarkeit der Bio-Produkte sichergestellt, gäbe es aber ein weiteres Problem: Die Umstellung auf 100 Prozent Bio würde nach Angaben des Studierendenwerks rund 6 Millionen Euro pro Jahr zusätzlich kosten. Eine Summe, die nicht auf die Zahlenden, also die Studierenden abgewälzt werden darf. In diesem Punkt sind sich Politik und Studierendenwerk einig.

Doch ob und in welcher Höhe der Bremer Senat für die Mehrkosten aufkommt, lässt sich derzeit nicht absehen, sagt zumindest Janina Brünjes von der SPD, die ebenfalls Unterzeichnerin des Dringlichkeitsantrags ist. Die junge Abgeordnete, selbst Studentin, betont, dass der Antrag der Politik im Interesse der Studierenden sei. „Es ist deutlich, dass sich die Studierenden mehr mit dem Thema auseinandersetzen und bewusster konsumieren wollen.“ Eindrücklich bestätigte das auch das Ergebnis einer Studierendenvollversammlung vom November, bei der eine Mehrheit forderte, dass es künftig gar kein Fleisch mehr in den Mensen geben solle.

Auch ohne solche Grundsatzentscheidungen ist die tatsächliche Nachfrage nach vegetarischen Optionen laut Studierendenwerk in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. Doch noch immer ist die vegetarische Option oft teurer als die Fleischvariante. Laut der Studierendenvertretung AStA stellt das ein Problem dar: „Der Preis des Essens ist für Studierende essentiell. Nicht alle sind bereit, einen Euro mehr für die vegetarische Option zu zahlen, selbst wenn der gute Wille grundsätzlich da ist.“ Die sogenannte „Vegetarische Theke“ wird derzeit nämlich nicht vom Senat subventioniert, anders als Essen 1 und 2, von denen ein Gericht Fleisch enthält. Das andere sehr günstige Gericht kommt immer ohne Fleisch aus, ist allerdings oft eine Süßspeise oder ein Eintopf. Aktuell ist rund 70 Prozent des Mensaangebots vegetarisch oder vegan – eingerechnet sind dabei allerdings auch Salate und Nachtische.

Würde es nach dem Grünen Saffe gehen, könnte Fleisch auch vollständig aus den Mensen verschwinden: „Das Studierendenwerk hat schließlich die Möglichkeiten und das Recht, den Speiseplan zu ändern.“

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