: Eine fragwürdige Lebensgeschichte
Landgericht prüft die Glaubwürdigkeit des Zeugen, der Ex-KZ-Wachmann mit großer Geste vergeben hatte
Knapp zwei Monate nach der Aussage und einer großen Vergebungsgeste des amerikanischen Zeugen Moshe Peter Loth im Stutthof-Prozess will das Landgericht seine Glaubwürdigkeit überprüfen. Mit Blick auf einen Bericht des Spiegel sagte die Vorsitzende Richterin Anne Meier-Göring, die Kammer werde die Unterlagen des 76-jährigen Nebenklägers noch einmal genau durchsehen. Das Magazin hatte berichtet, dass die von Loth vorgetragene Lebensgeschichte zumindest in Teilen nicht stimme.
Angeklagter in dem Prozess ist nicht Loth, sondern ein ehemaliger Wachmann in dem Konzentrationslager bei Danzig. Die Staatsanwaltschaft wirft dem heute 93-Jährigen Beihilfe zum Mord in 5.230 Fällen vor. Er soll zwischen dem 9. August 1944 und dem 26. April 1945 „die heimtückische und grausame Tötung insbesondere jüdischer Häftlinge unterstützt“ haben.
Loth hatte ausgesagt, er sei nach seiner Geburt am 2. September 1943 als Baby mit seiner jüdischstämmigen Mutter in Stutthof inhaftiert gewesen. Er sei Opfer medizinischer Experimente geworden und habe auch nach dem Krieg als Ausgestoßener leben müssen. Zum Schluss seiner Aussage hatte er erklärt, er vergebe dem Angeklagten, und ihn unter Tränen umarmt.
Nach Recherchen des Spiegel gibt es jedoch keine Hinweise auf jüdische Vorfahren Loths. Seine Mutter sei zwar als Schwangere vier Wochen als „Erziehungshäftling“ in Stutthof gewesen. Eine zweite Inhaftierung bei oder nach seiner Geburt habe es aber vermutlich nie gegeben. Sollte diese Darstellung zutreffen, könnte Loth seinen Status als Nebenkläger verlieren. Dieser steht nur Personen zu, bei denen die Möglichkeit besteht, dass sie Geschädigte der angeklagten Tat sind.
Oberstaatsanwalt Lars Mahnke sagte zu der Aussage von Loth: „Schon nach wenigen Sätzen hatte ich ein beklemmendes Gefühl.“ Die Staatsanwaltschaft werde nun prüfen, ob der Zeuge wissentlich die Unwahrheit vor Gericht gesagt habe und im Zweifel ein Ermittlungsverfahren einleiten. (dpa)
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen