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Politik unter Druck: Die COP wird politisch

Bei der UN-Klimakonferenz beginnt die heiße Phase. Druck für mehr Ehrgeiz kommt von Wissenschaft, Wirtschaft und NGOs – allen, die nicht um Kommas und Prozente feilschen

Sie möchte, dass die Klimakrise und nicht sie im Vordergrund steht: Greta Thunberg in Madrid Foto: Susana Vera/reuters

Aus Madrid Bernhard Pötter

„Eigentlich sollte das hier eine technische COP werden“, seufzt am Mittwoch morgen leicht genervt ein hochrangiger Verhandler bei der 25. UN-Klimakonferenz (COP). „Jetzt wird das mit immer mehr politischen Erwartungen aufgeladen.“ Am 9. Tag des Treffens in Madrid beginnen die ernsthaften politischen Verhandlungen. Die sollten sich vor allem um Regeln für den weltweiten Handel mit Emissionen drehen. Jetzt geht es aber immer mehr um das weltweite Nichthandeln.

Die chilenische Umweltministerin und COP-Präsidentin Carolina Schmidt hat die Parole ausgegeben, es müsse „mehr Ehrgeiz“ in die Verhandlungen kommen. Aufs Tempo drücken alle, die nicht direkt ins COP-Gefeilsche verstrickt sind: Umweltgruppen, die Jugend, die UNO, Unternehmen, die Wissenschaft. Ihre Angst: Draußen gerät der Klimawandel außer Kontrolle – und hier drinnen wird endlos um Kommas und Prozente gestritten.

Das äußert sich am Mittwochmorgen auf einer gut gefüllten All-Star-Veranstaltung der Klimaschützer, kurz bevor die versammelten Ministerinnen und Minister ihre vorbereiteten Reden verlesen. Johan Rockström, Chef des Potsdam-Instituts PIK, liefert eine drastische Momentaufnahme des bedrohten Erdsystems: „Wir beginnen das entscheidende Jahrzehnt, in dem wir die Emissionen halbieren müssen. 9 von 15 möglichen Kipppunkten im Erdsystem sind in Bewegung.“ Jennifer Morgan, Chefin von Greenpeace, erhöht den Druck. Nach 25 Klimakonferenzen habe sie „genug von Delegationen, die nur sagen, was sie nicht tun können“. Das Herz des Pariser Abkommens „schlägt noch, aber nur langsam“, ruft sie. „Wo sind die Anführer, die Champions, die Erwachsenen?“

Das ist das Stichwort für Greta Thunberg. Die 16-jährige Aktivistin hält keine Wutrede, wie im September vor den UN-Staatschefs. Sie ruft dazu auf, sich auf die Daten zu konzentrieren, nicht auf ihre Person. „Wie könnt ihr auf diese Fakten nicht mit Panik und Wut reagieren, wenn nichts getan wird?“, fragt die junge Schwedin. „Wie soll man das kommunizieren, ohne alarmistisch zu klingen? Das wüsste ich wirklich gern.“

Thunberg wird von den Delegierten immer wieder mit Applaus unterbrochen. Es solle doch bei der COP darum gehen, „ganzheitliche Lösungen zu finden, aber den Ländern geht es nur darum, Schlupflöcher zu finden“, meint sie. Die wirkliche Gefahr, so Thunberg, „liegt nicht im Handeln, sondern darin, dass Politiker und Unternehmenschefs so tun, als würde etwas passieren, aber außer cleverer Buchhaltung und Werbesprüchen nichts geschieht.“

Die Präsidentschaft hat sich Hilfe besorgt, um ein mageres Ergebnis zu verhindern: UN-Generalsekretär Antonio Guterres will den Verhandlern ins Gewissen reden. Gleichzeitig verkündeten 177 Konzerne wie Beiersdorf, Henkel und Iberia mit einem Marktwert von 2,5 Billionen Euro und CO2-Emissionen wie Frankreich, sie wollten bis 2050 klimaneutral sein. Schließlich soll der „Europäische Green Deal“ in Brüssel Rückenwind für Madrid bringen.

Der ist auch dringend nötig. Am Dienstagabend versammelten die Marshallinseln die „High Ambition Coalition“, eine Gruppe fortschrittlicher Länder, die in Paris auf den letzten Metern das Klimaabkommen durchgeboxt haben. Die diesjährige Koalition aber ist schwach, dabei sind Costa Rica, Bhutan, Grenada und Norwegen. Spanien, Schweden und Deutschland unterstützen sie, können aber keine höheren Ziele versprechen, weil sie auf den neuen EU-Klimaplan im Sommer 2020 warten. 2015 in Paris gehörten Schwergewichte wie die USA, die EU, Mexiko und Kanada zur Allianz. Die sind heute ruhig – oder bremsen.