taz🐾thema
: recht

die verlagsseite der taz

Chancen auf eine Verlängerung

Betriebsbedingte Kündigungen sprechen Firmen nicht nur aus, wenn sie Probleme haben. Wie sich Arbeitnehmer*innen verhalten sollten. Ein relevanter Ansprechpartner ist nicht zuletzt der Betriebsrat

Oft ist das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer durch die Kündigung so beschädigt, dass nur über die Höhe der Abfindung gestritten wird Foto: Ikon Images/imago

Von Hannes Koch

Die Wirtschaftslage ist nicht schlecht, aber auch nicht mehr so toll wie noch vor zwei Jahren. Während die Beschäftigung in Deutschland insgesamt weiter zunimmt, reduzieren manche Firmen die Zahl der Stellen. Das passiert augenblicklich besonders in der Autoindustrie und bei ihren Zulieferern. In Berlin stellte kürzlich die E-Roller-Firma Coup, ein Ableger von Bosch, den Betrieb ein. In vergleichbaren Fällen kann es zu betriebsbedingten Kündigungen kommen. Wie sollten sich Arbeit­nehmer*innen dann verhalten?

Beschäftigte genießen Kündigungsschutz, wenn sie in einer Firma mit mehr als zehn Leuten mindestens ein halbes Jahr gearbeitet haben. Versucht ein Unternehmen solche Arbeitnehmer*innen loszuwerden, muss es hierfür nachvollziehbare Gründe vorbringen. Diese können in der Person, etwa einer Krankheit, ihrem Verhalten oder sogenannten betrieblichen Erfordernissen liegen. In diesen Fällen geht es um betriebsbedingte Kündigungen. Das gilt sowohl für befristete als auch für unbefristete Arbeitsverträge.

Wenn Beschäftigte gegen eine Kündigung klagen, muss der Betrieb im Prozess darlegen, warum das Arbeitsverhältnis be­endet werden soll. Möglicherweise geht es der Firma schlecht, die Produktionskapazitäten sind nicht mehr ausgelastet, oder sie wird gar geschlossen. Erläutert werden muss, was die ökonomische Entwicklung für die einzelnen Arbeitsplätze bedeutet, die zur Disposition stehen. Gibt es wirklich keinen Bedarf mehr für die betreffende Person? Doch betriebsbedingte Kündigungen sind nicht nur bei wirtschaftlichen Problemen möglich. „Manche Firmen greifen zu diesem Mittel, wenn sie Betriebsabläufe umstrukturieren wollen, um neue Produkte zu fertigen, oder einfach nur, um den Gewinn zu maximieren“, sagt Alexander Bredereck, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Berlin.

Eine weitere Voraussetzung für eine wirksame betriebsbedingte Kündigung ist, dass im Unternehmen keine vergleichbaren, freien Stellen vorhanden sind, auf die die Betroffenen umgesetzt werden könnten. Auch das muss die Firmenleitung nachweisen. Wenn Beschäftigte merken, dass Kündigungen drohen, sollten sie deshalb vorab „mitteilen, dass sie auch zu einer Umschulung oder Fortbildung bereit sind“, rät die Berliner Kanzlei Hensche Rechtsanwälte. Das erschwert der Firma den Nachweis, dass kein geeigneter Arbeitsplatz zur Verfügung steht.

Außerdem sind die Unternehmen gehalten, eine korrekte „Sozialauswahl“ unter den Beschäftigten zu treffen – wenn der Betrieb nicht komplett geschlossen wird. Gekündigt werden dürfen nur diejenigen, die sozial am wenigsten schutzbedürftig sind. „Das wichtigste Kriterium dafür ist die Dauer der Betriebszugehörigkeit“, erklärt Bredereck. Stehen zwei Beschäftigte zur Auswahl, die 20 und 3 Jahre in der Firma tätig waren, wird letzterer gehen müssen. Eine Rolle spielen in dieser Abwägung auch das Lebensalter und die Unterhaltspflicht. Mit Kindern hat man bessere Chancen als ohne.

Eine kniffelige Frage ist dabei oft, welche Arbeitnehmer*innen in die Sozialauswahl einbezogen werden. Grundsätzlich kommen nicht nur diejenigen in Frage, deren Arbeitsplatz verschwindet, sondern auch andere, die in vergleichbaren Tätigkeiten auf derselben Hierarchieebene arbeiten. Das Problem wird oft dadurch gelöst, dass die Firmenleitung mit dem Betriebsrat eine Namensliste der Betroffenen zusammenstellt. Wenn es einen Betriebsrat gibt, ist das Unternehmen verpflichtet, mit diesem über den Interessenausgleich zu verhandeln.

Werden Beschäftigte gekündigt oder befürchten die Kündigung, sollten sie sich juristische Unterstützung holen. „Wurde eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen, erscheint eine Kündigungsschutzklage immer sinnvoll“, sagt Bredereck. Die Versicherung deckt die Anwaltskosten ab. Ähnliche Dienste leisten Gewerkschaften für ihre Mitglieder. Im Verfahren vor Gericht kann es einerseits darum gehen, den Schritt der Unternehmensleitung anzufechten und den Arbeitsplatz möglicherweise zu erhalten. Oft ist das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer durch die Kündigung allerdings so beschädigt, dass eigentlich nur über die Höhe der Abfindung gestritten wird. Gerade hier kann die anwaltliche Hilfe dazu führen, dass die Arbeit­nehmer*innen bessere Entschädigungen erhalten.

Nach kurzen Beschäftigungsdauern von wenigen Jahren ist mit Abfindungen in Höhe von beispielsweise ein bis drei Bruttomonatsgehältern pro Beschäftigungsjahr zu rechnen. War man länger im Betrieb, können einige zehntausend Euro herauskommen. Eine Daumengröße lautet dann „ein halbes Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr“. Wegen der unterschiedlichen Klageaussichten fallen jedoch auch die Abfindungen individuell aus. Die Frist für die Klage beträgt drei Wochen nach Zugang der Kündigung. Danach kann die Kündigung in der Regel nicht mehr angegriffen werden.