Das war
: Für Tochter, Schwester und den IS

Es sei „das erste Mal“, sagte am Mittwoch der Vorsitzende Richter, dass eine ganze Familie auf der Anklagebank vor der Staatsschutzkammer des Oberlandesgerichts Hamburg sitze. Der Vorwurf an das Ehepaar und seine beiden Kinder aus Neumünster: Unterstützung einer terroristischen Vereinigung, genauer gesagt: des sogenannten „Islamischen Staats“ (IS).

Dabei war es nicht der IS, den die Familie unterstützen wollte, sondern ihre Tochter und Schwester Nalan, die zu einer IS-Kämpferin geworden war: Rund 27.000 Euro hat laut Staatsanwaltschaft die Familie diesem jüngsten der drei Kinder zukommen lassen, obwohl sie wusste, dass der IS „Steuern“ von Nalan erhob, ein Teil des Geldes also ihm zugute kam. Aber vielleicht hatte die Familie die Hoffnung, dass Nalan mit ihrer Unterstützung eines Tages zurückkehrt aus Syrien. Dorthin war sie 2016 aufgebrochen, um für den IS zu kämpfen.

„Ich konnte meine Tochter doch nicht aus meinem Leben streichen, nur weil sie einen Fehler begangen hat“, sagte ihr Vater vor Gericht. Er hatte fast 10.000 Euro an Nalan zurückgezahlt, die er sich von ihr geliehen hatte, um eine Rentenversicherung für seine Frau abzuschließen. Die Geschwister machten auf Anweisung von Nalan ihr Hab und Gut zu Geld.

Nalans Vater war es nach seiner Auswanderung aus der Türkei vor über 30 Jahren wichtig, dass sich seine Kinder in Deutschland integrieren. Die beiden Älteren machten Abitur und studierten. Dass Nalan anfing, sich immer stärker zu verschleiern, sorgte für Streit mit dem Vater, der dadurch ihre Karriereaussichten getrübt sah. Ihre Ausreise nach Syrien konnte er nicht verhindern.

In seinem Urteil machte Richter Norbert Sakuth deutlich, dass die Unterstützung des IS „nicht das primäre Ziel“ des Geldtransfers durch die Familie gewesen sei, sondern die Angeklagten „aus familiärer Verbundenheit“ gehandelt hätten. Dennoch sei, und damit folgte er der Staatsanwaltschaft, die dadurch erfolgte Unterstützung des IS erwiesen. In seinem Strafmaß folgte er der Staatsanwaltschaft allerdings nicht: Die hatte Strafen zwischen zwei und dreieinhalb Jahren Haft für die Angeklagten gefordert, von denen nur jene des Vaters zur Bewährung ausgesetzt werden sollte. Das Urteil lautete schließlich auf Bewährungsstrafen zwischen 9 und 18 Monaten für alle vier Familienmitglieder.

Ob deren Tochter und Schwester überhaupt noch lebt, weiß niemand: Nalan soll bei einem Bombenangriff auf Rakka schwer verletzt, ihre beiden Söhne sollen getötet worden sein. Simone Schnase