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Ein optimistischer Futurist

Die Ausstellung „Syd Mead – Future Cities“ im O&O Depot zeigt Arbeiten des US-amerikanischen Designers. Seine Entwürfe, auch die zum Science-Fiction-Film „Blade Runner“, sind zum ersten Mal in Deutschland zu sehen

Downtown Cityscape „Blade Runner“ Foto: Syd Mead, 1981

Von Michael Meyns

Ein kurioser Jahrestag lässt sich noch ein paar Tage begehen, bevor dieser November 2019 vorüber ist: Es ist der exakte Zeitpunkt, zu dem „Blade Runner“ spielt, Ridley Scotts legendärer Science-Fiction-Film von 1982, der eine futuristische Welt imaginierte, geprägt von ewigem Regen, Replikanten und künstlichen Eulen. Entscheidenden Anteil am Look des Films hatte der US-amerikanische Designer Syd Mead, dessen Arbeiten nun in der Galerie O&O Depot zu besichtigen sind.

Anfang der 80er Jahre, als die Zusammenarbeit zwischen Mead und Scott begann, hatte Mead schon eine lange Karriere hinter sich. Zuvor hatte der 1933 geborene Designer für Ford gearbeitet, sich 1970 selbstständig gemacht und für diverse Industrieunternehmen Modelle entworfen, aber auch Kataloge und Bücher gestaltet. Eines dieser Bücher fiel Ridley Scott in die Hände, der als ehemaliger Werbefilmregisseur selbst eher visuell als inhaltlich dachte.

Anfangs sollte Mead nur einige Modelle für futuristische Fortbewegungsmittel zeichnen, doch in seiner Arbeit bevorzugt es Mead, ganze Welten zu entwerfen, die den Kontext eines spezifischen Produkts unmittelbar zum Leben erwecken. Vor allem dieser enorme Detailreichtum begeisterte Scott, der Mead fortan ganze Stadtansichten des futuristischen Los Angeles zeichnen ließ, durch die sich der von Harrison Ford gespielte Polizist Rick Deckard bewegt.

Einige dieser Entwürfe zeigt auch die Ausstellung, die Küche des Cops etwa, das Polizeirevier oder die von riesigen Leuchtreklamen geprägten Straßen, die nicht zufällig oft an Ansichten japanischer Städte erinnern. Was Design und Architektur angeht, war und ist Japan dem Westen oft viele Jahre voraus, die schiere Menschenmenge, die sich besonders in der Rushhour durch Tokio oder Osaka bewegt, gepaart mit einem gewissen exotischen Touch, finden deutlich Anklänge im Design von „Blade Runner.“

Und finden sich auch in späteren Arbeiten Meads, der immer wieder, egal ob für Firmen, Filmentwürfe oder für private Arbeiten, Zukunftswelten imaginierte, dabei aber stets einen optimistischen Blick beibehielt. Weniger dystopisch als utopisch muten dann auch viele der in weichen Gouache-Farben gehaltenen Zukunftsvisionen an, die ausgestellt sind. Überraschend dabei, wie wenig sich Meads Blick auf die Zukunft im Lauf der Jahre gewandelt hat: Zwischen 1970 und 2004 entstanden die gezeigten Bilder, doch Meads Ansatz hat sich im Laufe der Jahrzehnte kaum geändert. Geprägt von runden, organischen Formen, sind diese Welten, in warmen Tönen gehalten, von einem unübersehbaren Optimismus und Glauben an den Fortschritt durchzogen.

Mead denkt in seinen Entwürfen die Gegenwart stets weiter

Vor allem aber nie in Gefilde der Science-Fiction gleitend, die komplett fiktive Welten entstehen lassen, sondern stets der Gegenwart verhaftet. „Visual Futurist“ ließ sich Mead dann auch in den Abspännen der Filme nennen, statt des konventionellen, aber deutlich langweiligeren Art Directors. Doch der Begriff des Futuristen (nicht zufällig an die italienischen Stilrichtung aus den 20er Jahren angelehnt) trifft Meads besonderen Blick gut. Denn das Besondere an seinen Visionen und Entwürfen ist stets, dass er nicht seiner Fantasie völlig freien Lauf lässt, sondern die Gegenwart weiterdenkt und imaginiert, welche technologischen Entwicklungen in zwei, drei Jahrzehnten Realität geworden sein könnten.

Beim Design von „Blade Runner“ wurde dieses Konzept „Layering“ genannt: Nicht völlig neue Modelle oder Sets wurden gebaut, sondern bestehende Orte als Basis genommen. Legendäre Häuser in Los Angeles wie das Bradbury Building oder das von Frank Lloyd Wright entworfene Ennis House dienten als Sets, ausgestattet mit futuristischen Gerätschaften, die deutlich ihrer Zeit voraus waren, aber nicht so sehr, dass sie wie eine unvorstellbare Zukunft wirkten.

In späteren Filmarbeiten ging Mead dagegen weiter, beim unter anderem im Inneren eines Computerspiels spielenden „Tron“ etwa oder dem Zeitreise-Abenteuer „Timecop“, der allein seines Sujets wegen schon weniger in der Realität verhaftet ist als „Blade Runner.“ Vielleicht auch ein Grund, warum keiner der späteren Filme so stark im kollektiven Gedächtnis verhaftet, so einflussreich und ikonografisch geworden ist wie seine Zukunftsvision von Los Angeles. Das sieht in der Gegenwart, im „Blade Runner“-Monat November 2019 zwar längst nicht so aus, wie es sich Mead und Scott vor fast vier Jahrzehnten vorgestellt haben, aber das ist ja auch das Schöne an der Zukunft: dass sie trotz allem ungewiss ist.

„Syd Mead – Future Cities“, bis 16. 1. 2020, Galerie O&O Depot, Leibnizstr. 60

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