: Radrennen für alle zieht sich grünes Trikot über
Velothon heißt jetzt VeloCity: Nachdem das Radrennen 2019 ausfiel, kehrt es im Juni 2020 zurück – und setzt bei der Vermarktung voll auf Generation Greta
Von Alina Schwermer
Eines war schnell klar: Der Berliner Radsport möchte nur allzu gern an die Generation Greta andocken. Und so fielen bei der Präsentation des neuen Jedermann-Radrennens „VeloCity“, das am 13. und 14. Juni in Berlin seine Premiere feiern soll, immer wieder schöne Sätze über Zukunft und urbane Mobilität. „Wir wollen stärker vom Auto wegkommen und das Rad auch als Mobilitätsinstrument präsentieren“, sagte Jürgen Lock, Geschäftsführer des Veranstalters SCC Events, am Montag. Ex-Radprofi Jens Voigt, der die Schirmherrschaft übernimmt, ließ sich gar zu der Behauptung hinreißen, dass „jedes Kind, das wir jetzt aufs Fahrrad bringen, in zehn bis fünfzehn Jahren ein Mensch weniger ist, der mit dem Auto zur Arbeit fährt“.
Die „Spitze einer breit angelegten Fahrrad-Offensive“ soll VeloCity sein, das ist geschickt formuliert, dabei ist es faktisch bloß die Fortsetzung eines Formats, das es in Berlin lange gab. Da hieß es Velothon, wurde von 2008 bis 2018 durchgeführt und war ein Jedermann-Rennen mit einer Beteiligung von etwa 9.000 RadfahrerInnen.
VeloCity ist nicht so dem Wunsch nach urbaner Innovation geschuldet, sondern zuvorderst der Tatsache, dass man sich beim Velothon verkrachte. Der damalige Veranstalter Ironman Germany GmbH und sein Partner SCC Events, der eigentlich ab 2019 Alleinveranstalter hatte werden sollen, konnten sich nach Angaben von Ironman nicht über die Modalitäten der Lizenzvergabe einigen. „Wir wollten keine Verträge abschließen, in denen die Datenschutz-Grundverordnung nicht gewährleistet ist“, gab nun Jürgen Lock als Vertreter von SCC Events an. „Daran ist es gescheitert.“ Der Velothon 2019 musste abgesagt werden, ob er wiederbelebt werden würde, war zunächst unklar. Jetzt gibt es die Neuauflage als VeloCity, organisiert von der SCC Events GmbH.
Sichtbare Veränderungen im Vergleich zum Velothon gibt es eher bei den Formaten. Statt wie gehabt 60 bis 160 Kilometer werden nur noch zwei Strecken angeboten, einmal 60 und einmal 120 Kilometer. Die 160-Kilometer-Variante ist offenbar, wie Lock durchblicken ließ, an mangelndem Zuspruch gescheitert – und am damit einhergehenden Unwillen der Behörden, für überschaubar viele Menschen 160 Kilometer Strecke zu sperren. „Wir wollen mehr in den Breitensport gehen“, nannte es der Geschäftsführer. Es solle „dynamischer, schneller, zuschauerträchtiger werden“. Ähnlich wie die Leichtathletik versucht man, mit mehr Spektakel und Sichtbarkeit um eine jüngere Klientel zu kämpfen. So soll es beim VeloCity eine Art Campus geben, wo Nicht-TeilnehmerInnen und Familien mit weiteren Radwettbewerben unterhalten werden. Wie schon beim Velothon wird das Rad Race integriert, ein Fixed-Gear-Rennen mit jungen VeranstalterInnen und jungem Publikum. Auch an die BMX- und Trial-Szene sucht man den Anschluss – es soll gar eine Laufrad-Serie für Kleinkinder stattfinden.
Zunächst ist VeloCity auf ein Jahr angelegt, die Veranstalter erhoffen sich aber mehr: 10.000 TeilnehmerInnen erwarte man, die Anmeldephase läuft. Irgendwann sollen auch Profis wieder integriert sein: „Es wäre schön, wenn wir es schaffen würden, wieder ein Profirennen auf die Straße nach Berlin zu bringen“, so Voigt. Der Staatssekretär für Sport, Aleksander Dzembritzki, wirkte angesichts solcher Gedankenspiele mäßig begeistert. Man solle erst mal schauen, dass man dieses Event erfolgreich auf die Straße bringe; und überhaupt, es sei ja nicht so leicht, so viele Straßen zu sperren. Die Machtfrage zwischen Auto und Radfahrern bleibt also Verhandlungsmaterial.
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