„Lügenhafte Zahlen“

Im Streit über angebliche Steigerung des deutschen EU-Beitrags schlägt EU-Kommissar Oettinger zurück

Aus Brüssel Eric Bonse

Der Streit über das EU-Budget ab 2021 spitzt sich zu. Der zuständige deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) widersprach am Mittwoch vehement der Darstellung, Deutschland drohe ein „Beitrags-Hammer“. Pläne aus Berlin, das Budget zu kürzen und den deutschen EU-Beitrag zu drücken, kritisierte er.

Medien hatten berichtet, die deutschen Zahlungen würden sich bis 2027 verdoppeln und netto auf 33 Milliarden Euro ansteigen. Oettinger, von dem der mittelfristige Finanzrahmen für 2021 bis 2027 stammt, sprach von „völlig falschen, unwahren und lügenhaften Zahlen“. Tatsächlich gehen in der Debatte mehrere Dinge durcheinander. Die Kritiker sprechen von Nettozahlungen – dem Betrag, den Deutschland mehr nach Brüssel überweist, als es später wieder zurückbekommt. Diese sollen bis 2027 steigen – aber nicht auf 33, sondern auf 23,5 Milliarden, so Oettinger.

Diese Zahl habe er schon mit dem Bundesfinanzministerium in Berlin abgestimmt, erklärte er. Dass der Nettobeitrag klettere, liege am Brexit, aber auch an neuen EU-Aufgaben, wie der Flüchtlingshilfe oder dem Satellitenprogramm Galileo. Berlin zahle dort ein, „doch es kommt kein Satellit zurück“.

Diese „modernen“ Budgetlinien sähen keine Rückflüsse in die nationalen Haushalte vor, deshalb sei die Nettozahler-Debatte überholt, so Oettinger. Deutschland gewinne bei Galileo kein Geld, aber wichtige Daten. Ähnliches gelte für die EU-Grenzschutzagentur Frontex, die auf 10.000 Beamte aufgestockt werden soll.

Oettinger kritisierte auch den Plan der Bundesregierung, das EU-Budget auf ein Prozent der Wirtschaftsleistung zu begrenzen und den deutschen Beitrags-Rabatt zu bewahren. Mit einem so niedrigen Budget könne man nicht mehr Geld für Klimaschutz oder Verteidigung ausgeben, wie die künftige Kommissionschefin Ursula von der Leyen plant. Zudem sei der deutsche Rabatt widersinnig, wenn die „Mutter aller Rabatte“, der Briten-Rabatt, wegfällt. Er war von der britischen Premierministerin Margarethe Thatcher erkämpft worden, soll jedoch mit dem Brexit fallen. Dennoch will Berlin weiter einen Nachlass. Dies passe nicht zum Koalitionsvertrag, so Oettinger.

Rückendeckung bekam der CDU-Politiker von den Grünen. „Voodoo-Zahlen in der Öffentlichkeit zu diskutieren ist unseriös“, sagte der Europaabgeordnete Rasmus Andresen. Deutschland profitiere „am meisten“ von der EU. „Viel besser als höhere Beiträge wäre aber eine europäische Digitalsteuer, die direkt in den EU-Haushalt fließt.“ Dies werde aber von der Bundesregierung blockiert.