Jung und europäisch

2018 hat Alexander Zverev die ATP-Finals gewonnen. Sein erster Gegner 2019 ist Rafael Nadal. Der hat traditionell so seine Probleme mit dem Turnier

Training für das Saisonfinale: Alexander Zverev in London Foto: imago

Aus London Doris Henkel

Als er vor ein paar Tagen gefragt wurde, was ihm der Titel beim Turnier der Besten in London bedeuten würde, da gab Rafael Nadal eine Antwort, die typisch für ihn ist, eine Portion Skepsis inklusive. Na ja, gab er zu bedenken, er müsse ja erst mal sehen, ob er überhaupt spielen könne. Beim Hallenturnier in Paris Bercy hatte er sich vor zehn Tagen eine Bauchmuskel-Verletzung zugezogen, und zuerst hatte es so ausgesehen, als müsse er London und die ATP Finals vergessen. Doch nach ein paar Tagen besserte sich die Lage, er entschied sich, es wenigstens zu versuchen, und nach den aktuellen Trainingseindrücken spricht nun doch einiges dafür, dass er heute Abend zum ersten Gruppenspiel gegen Deutschlands Titelverteidiger Alexander Zverev antreten wird.

Nadal und das spektakuläre Turnier der besten acht – das ist bisher eine Geschichte ohne Happy End. Seit seinem ersten Versuch vor 13 Jahren fehlte er viermal, beim bis dato letzten Auftritt vor zwei Jahren gab er nach dem ersten Spiel in der Vorrunde verletzt auf, und es ist nach wie vor der einzige Titel, der ihm in seiner ansonsten kompletten Sammlung fehlt. Natürlich geht es darum, aber auch um die Chance, Anfang kommender Woche, wenn die letzte Weltrangliste des Jahres erscheint, zum fünften Mal in seiner Karriere an der Spitze zu stehen.

Es gibt diverse Konstellationen, in denen das möglich ist, doch das hängt natürlich nicht nur von ihm selbst ab, sondern von den Taten des Herausforderers Novak Djokovic, der mindestens das Finale erreichen muss, um eine Chance zu haben, das Jahr als Erster der Besten zu beenden. In Spanien sitzt derweil einer der vielen Fans von Rafael Nadal, der sicher mit ein wenig Anspannung verfolgen wird, was sich in dieser Woche in London tut. Fußball-Star Gerard Piqué, der mit seiner Firma Kosmos die Rechte für den reformierten Davis Cup vom Internationalen Tennis Verband (ITF) gekauft hat, dürfte mächtig an Nadals Mitwirkung in der kommenden Woche bei der Endrunde in Madrid interessiert sein. Aber der muss erst mal die ATP Finals überstehen.

Bei einer Edition, die geografisch so einseitig besetzt ist wie nie zuvor in der fast 50 Jahre währenden Geschichte mit acht Kandidaten aus Europa (Spanien, Serbien, Schweiz, Russland, Österreich, Griechenland, Deutschland, Italien). Es ist eine vergleichsweise jugendliche Kombination, die sich für dieses Jahresendturnier qualifiziert hat, mit vier Spielern, die nicht älter als 23 Jahre alt sind: den Debütanten Daniil Medwedew, Stefanos Tsitsipas, Matteo Berrettini und Alexander Zverev.

Letzterer brachte im vergangenen Jahr das Kunststück fertig, 24 Stunden nach seinem Sieg im Halbfinale gegen Roger Federer mit einem weiteren großen Auftritt im Finale gegen Novak Djokovic den bisher größten Titel seiner Karriere zu gewinnen. Aber dass er diesmal zum Ende eines komplizierten Jahres mit allerlei Verwerfungen im Spiel wie im Leben auch diesmal wieder dabei ist, ist nicht viel weniger bemerkenswert. Aber Zverev ist nicht der einzige deutsche Kandidat in der blau beleuchteten Londoner Arena. Zum ersten Mal in der Geschichte des Turniers ist ein deutsches Doppel qualifiziert – Kevin Krawietz und Andreas Mies, die Sieger der French Open in Paris, für die das traumhafte Jahr auf ebenso traumhafte Art in die vorletzte Runde geht. Die letzte wird in der Woche danach in Madrid folgen; Bundestrainer Michael Kohlmann nominierte die beiden für die Endrunde des Davis Cups. Heute um zwölf Uhr Ortszeit starten Krawietz und Mies ins wunderbare Abenteuer der ATP Finals, in der letzten Partie des zweiten Tages wird Zverev zum Spiel gegen Rafael Nadal erwartet – wenn alles so läuft, wie es sich dieser eine Spanier, ein anderer in Madrid und viele Fans weltweit erhoffen.