heute in hamburg: „Emissionen müssen auf null sinken“
Felix Schenuit, 28, ist Doktorand am Centre for Globalisation and Governance und ist Mitorganisator der Veranstaltung.
Interview Katharina Gebauer
taz: Herr Schenuit, Klimaneutralität – was soll das eigentlich sein?
Felix Schenuit: Klimaneutralität war zuletzt in aller Munde. Sowohl in Deutschland, auf EU-Ebene oder in internationalen Klimaverhandlungen. Worüber wir dabei aber genau sprechen, bleibt häufig im Unklaren. Grundlegend bedeutet Klimaneutralität das Erreichen von sogenannten Netto-null-Emissionen, also eine Balance zwischen allen ausgestoßenen Emissionen und, etwa durch Wälder, aus der Atmosphäre absorbiertem CO2.
Warum polarisiert das die Gesellschaft so?
Die Sprengkraft entsteht vor allem durch die Tatsache, dass mit diesem Ziel bis 2050 nahezu alle Emissionen auf null sinken müssten. Das bedeutet eine grundlegende Transformation in den kommenden 30 Jahren, bei der sich nicht nur für SUV-Fahrer etwas ändern dürfte.
Warum wirkt die Politik so ignorant gegenüber diesem Sachverhalt?
Bisher wurden immer wieder neue Ziele gesetzt, die nur bedingt erreicht wurden. Die „Fridays for Future“-Bewegung bringt diese Diskrepanz jetzt aber ziemlich stark auf die Straße und in die Öffentlichkeit. Klimaneutralität als politisches Ziel hat das Potenzial, in Zukunft ein klareres Ziel zu sein als etwa das abstrakte Zwei-Grad-Ziel. Langfristig könnte dieses Ziel mehr Druck auf die Politik ausüben.
Welche Konfliktpotenziale gibt es denn in der Wissenschaft?
Dass das Ziel der Klimaneutralität in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts erreicht werden muss, ist wissenschaftlicher Konsens. Die Frage danach, wie wir das erreichen, wird derzeit aber heiß diskutiert. Es wird etwa darüber gesprochen, ob es sinnvoll ist, nach Möglichkeiten zu forschen, wie CO2 aus der Atmosphäre absorbiert werden kann. Es wird befürchtet, dass diese technologischen Maßnahmen zum Ausgleich der Emissionen der Politik als Schlupfloch dienen könnten.
Was dürfen wir von der Wissenschaft erwarten?
Sie hat auch die Verantwortung, politisch relevante Fragen aufzugreifen und das vorhandene Wissen beizusteuern, um informierte Debatten zu ermöglichen. Wir wollen deshalb über unterschiedliche Perspektiven aus Wissenschaft, Politik und Gesellschaft diskutieren. Die „Fridays for Future“-Bewegung erläutert ihre Forderungen zur Klimaneutralität.
Diskussion „‚Klimaneutralität‘ als politische Zielvorgabe: Folgen & Konfliktpotentiale in Politik, Wissenschaft und Gesellschaft“: 16.30 Uhr, Uni Hamburg, Hörsaal M, Edmund-Siemers-Allee 1, Eintritt frei
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