: Zwei politische Spätstarter als Hoffnung des linken Flügels
Vom „Bernie-Sanders-Effekt“ für Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken schrieb die Zeit, kurz bevor die SPD das Ergebnis ihres Mitgliederentscheids am Samstag bekannt gab. Walter-Borjans (67) und Esken (58) werden trotz ihres Alters von den Jusos unterstützt, weil sie wirtschafts- und finanzpolitisch auf dem linken Flügel der SPD verortet sind.
Walter-Borjans ist ein politischer Spätstarter, zumindest was die große Bühne betrifft. Er begann als Regierungssprecher in Nordrhein-Westfalen unter Johannes Rau, wurde später Staatssekretär im Saarland und NRW. Erst mit 57, als Finanzminister in Düsseldorf, begann 2010 sein bundesweiter Aufstieg als linker Pragmatiker. Vor allem mit dem Aufkauf von Steuer-CDs und der Verfolgung von Steuerstraftätern machte er sich einen Namen. Die Informatikerin Esken kam 2013 über die Landesliste Baden-Württemberg in den Bundestag und ist Expertin für Digitales.
Walter-Borjans gilt mit seinem Einsatz gegen die Schwarze Null als Anti-Scholz. In dem „Fortschrittsprogramm“, das Esken und er vor wenigen Tagen veröffentlichten, sprechen sich die beiden für ein Investitionsprogramm über 500 Milliarden Euro in 10 Jahren aus. Es könnte zum Knackpunkt in Verhandlungen mit der Union über eine Fortführung der Großen Koalition werden. Völlig einig sind sich Esken und Walter-Borjans in der Groko-Frage aber nicht: Esken sieht „keine Chance“, mit der Union „Strategien für Zukunftsfragen zu entwickeln“. Walter-Borjans war bisher zurückhaltender.
„Wir sind definitiv nicht zwei Klone“, sagte Walter-Borjans am Sonntag zur taz. Esken und er sähen „die Lage aber gleich, dass die aus unserer Sicht wichtigen Themen mit CDU und CSU nicht sozial gerecht zu machen sind“. Sie würden „den Parteitag aber nicht mit der Ansage beschallen: Raus aus der Groko ohne eingehende Debatte“. Ob es Sinn habe, in der Regierung zu bleiben, sei eine inhaltliche Frage. „Die SPD hat in der Koalition zwar viel bewegt, CDU und CSU haben aber das Fundament bestimmt: Die oberen 10.000 sollten nicht für eine andere Politik zahlen.“ Das sei nur zur Hälfte ein Problem mit dem Koalitionspartner gewesen. „Zur anderen lag es auch daran, dass sich die SPD immer wieder darauf eingelassen hat.“ Damit müsse „so oder so Schluss sein“.
Für die zweite Runde ist diese offene Haltung nicht die schlechteste: Mit ihr lassen sich sowohl die strikten Groko-Gegner einsammeln, die bisher auf Karl Lauterbach und Nina Scheer gesetzt haben, als auch die, die sich fragen, was aus der SPD in Zeiten des grünen Hochs in der Opposition werden soll.
Martin Reeh
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