Drogenhandel in Berlin: Näschen fürs Geschäft

Immer mehr Menschen lassen sich mit Kokain beliefern. Die Polizei und die Kanalisation bestätigen eine Zunahme von Kokstaxis.

Kokain, angerichtet Foto: dpa

Die Szene stammt aus dem aktuellen Werbefilm der Polizei: Auf einem Tisch im Landeskriminalamt türmen sich bergeweise Plastiktüten, gefüllt mit einem weißen Pulver. „Kann Schnee“ heißt es im Untertitel. „Schnee“ – das ist die Szenesprache für Kokain. „Kann“ soll heißen, wir können Strafverfolgung.

Folgt man Medienberichten, dann wächst das Thema der Polizei allerdings zunehmend über den Kopf. „Es gibt Anzeichen für eine Kokainepidemie“, wurde der Leiter des Rauschgiftdezernats, Olaf Schremm, bereits im Juni vom Tagesspiegel zitiert. Von Kokstaxis, die Feiernde innerhalb einer Stunde mit Stoff belieferten, war in dem Beitrag die Rede. Und auch, dass sich der Straßenverkauf immer mehr ausweite.

Gegenüber dem RBB hat die Polizei am Montag erstmals Zahlen zu den Kokstaxen genannt. Erst seit Mai dieses Jahres wird dieser Drogenlieferdienst gesondert erfasst. 35 Vorgänge seien bis Anfang Oktober registriert worden, heißt es in dem Beitrag unter Berufung auf Schremm. Für das Jahr 2018 seien bei einer nachträglichen Auswertung 11 Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit Kokstaxis festgestellt worden. Die Polizei könne die Anzahl der Services gar nicht überblicken, so Schremm zum RBB. „Wir wissen aber aus Ermittlungsverfahren, dass bei solchen Handynummern pro Tag dreistellige Anrufe eingehen.“ Ein ganzes Kommissariat sei mittlerweile mit Ermittlungen zu den Kokainlieferservices beschäftigt.

Auch wie potenzielle Kunden an die Nummer kommen, wurde in dem Beitrag berichtet. Im Umfeld von Clubs seien zum Beispiel Visitenkarten aufgetaucht, auf denen Obst angeboten wurde. In Wahrheit seien das aber Kontakte zu den Kokstaxis gewesen. Als die Polizei Ermittlungen aufgenommen habe, seien die Nummern bereits wieder abgeschaltet gewesen.

Der Konsum von Kokain ist nicht strafbar, aber der Besitz und Handel. 523 allgemeine Verstöße hat die Polizei im ersten Halbjahr 2019 registriert. Wegen Handels wird in 191 Fällen ermittelt, darin enthalten sind auch die 35 Vorgänge ­gegen Kokstaxis.

So paradox es klingt: Auch Untersuchungen der Berliner Abwässer haben ergeben, dass der Kokainkonsum in Berlin steigt. Laut Europäischer Beobachtungsstelle haben sich die Kokainrückstände in Berlin von 2014 bis 2018 fast verdoppelt. Ihn wundere das nicht, sagt Niklas Schrader, Innenpolitiker der Linken: „Kokain ist nicht nur eine Partydroge, sondern auch eine Droge der Leistungsgesellschaft.“ Als Beispiel nennt er die Start-ups. Kokain sei aber keineswegs harmlos, erzeuge Abhängigkeiten. Rot-Rot-Grün werde deshalb den Etat für Präventions- und Therapieangebote erhöhen. Unabhängig davon halte er eine Entkriminalisierung für den Eigenbedarf für dringend geboten, so Schrader. Bisher gilt das nur für Cannabis.

Auch Schremm hatte für einen Chef des Rauschgiftdezernats erstaunlich viel Realitätssinn bewiesen, als er im Tagesspiegel im Sommer einen progressiveren Ansatz in der Strafverfolgung forderte: „Wir sollten einen neuen Umgang mit Kleinstmengen Kokain finden“.

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