Wasser und Gas als Pflicht

Ein Gesetz soll Schrottimmobilien in Niedersachsen verbieten – wegen Zuständen wie einst im Wollepark

Von Simone Schmollack

Die Bilder dürften viele Menschen noch vor Augen haben: Vermüllte Gehwege, vergammelte Fassaden, überquellende Hydranten. So sah es aus im Wollepark, bevor die verrotteten Neubaublocks in dem Delmenhorster Stadtteil im Frühsommer 2017 abgerissen wurden. Am Ende galt das einstige Vorzeigeprojekt für urbanes Wohnen aus den 1970er-Jahren als Schandfleck der Stadt.

So etwas soll nicht wieder vorkommen, findet Niedersachsens Bauminister Olaf Lies. „Solche Zustände können und wollen wir in Niedersachsen nicht dulden“, meint der SPD-Mann. Jetzt hat die Landesregierung einem Gesetzentwurf zugestimmt, der sogenannte Schrottimmobilien verhindern soll.

Danach sollen Mietwohnungen bestimmte Mindeststandards erfüllen: Sie sollen Wasser- und Stromanschlüsse und Heizungen haben, Toiletten und Bäder, Heizungen. Zudem Kinderspielplätze in den Innenhöfen sowie Freiflächen, die auch sonst nutzbar sein sollen. So jedenfalls vermeldet es das Lies-Ministerium. Der Gesetzentwurf selbst bleibt der Presse vorläufig vorenthalten.

Was soll das? Strom, Wasser, eine Toi­lette in Wohnungen sind eine Selbstverständlichkeit, Kinderspielplätze in Innenhöfen mittlerweile gesetzliche Pflicht. Doch das Gesetz hat einen ernsthaften Hintergrund, und der hat direkt mit dem Delmenhorster Wollepark zu tun: Monatelang lebten Mieter*innen dort ohne Wasser, Gas und Müllabfuhr. Aber nicht, weil sie keinen Strom- und Wasseranschluss hatten, sondern weil die Stadtwerke Wasser und Gas abgestellt hatten. Die Kosten in Höhe von rund 200.000 Euro dafür waren nämlich nicht bezahlt. Dafür konnten allerdings die Mieter*innen nichts. Die Vermieter*innen hatten die monatlichen Abschläge, die die Mieter*innen als Nebenkosten mit der Miete bezahlen, nicht an die Stadtwerke weitergeleitet.

Auch wenn die Reaktion der Stadtwerke nachvollziehbar ist – Kosten müssen beglichen werden -, bleiben Fragen: Müssen in solchen Fällen ganze Häuserblocks abgerissen werden? Was passiert in solchen Fällen mit den Mieter*innen?

Dazu muss man auch wissen, dass der Wollepark in den vergangenen Jahren als sozialer Brennpunkt galt. Dort lebten vor allem Familien und Menschen mit Migrationshintergrund, die teilweise schlecht oder gar kein Deutsch sprachen. Vermutlich konnten sie deshalb ihre Lage schlecht einschätzen und sich kaum zur Wehr setzen. Manche Vermieter*innen erschienen als dubios, sie kassierten die Miete in bar, die Staatsanwaltschaft ermittelte. Diese Umstände schien die Stadt nicht anders in den Griff zu bekommen als die Häuser zu kaufen und abzureißen.

Gesetz will Bußgelder von bis zu 50.000 Euro

Ein solches Vorgehen soll der Gesetzentwurf aus dem Umweltministerium offenbar künftig unnötig machen. Denn wer die Auflagen nicht erfüllt, muss mit einem Bußgeld von bis zu 50.000 Euro rechnen. Oder die Immobilien werden für nicht bewohnbar erklärt und verriegelt. Vermieter*innen sollen dann selbst für Ersatzunterkünfte ihrer Mieter*innen sorgen.

Das Gesetz soll auch zu viele Menschen auf zu engem Raum vermeiden. Im Entwurf soll von „Mindestwohnfläche von neun Quadratmetern“ die Rede sein, die Bewohner*innen zustehen soll. Kindern unter sechs Jahren sollen sechs Quadratmeter zugebilligt werden. Damit nehme „der Gesetzentwurf besonders benachteiligte Bevölkerungsgruppen in den Blick“, heißt es aus dem Ministerium: „Häufig wird Wohnraum überbelegt und dafür völlig überhöhte Mieten verlangt, die vom Sozialamt oder dem Jobcenter übernommen werden.“

Übersetzt heißt das: Wohnungen, in denen zu viele Menschen leben, soll es nicht mehr geben. Das trifft heute vor allem migrantische Frauen und Männer. Das trifft aber auch Saisonarbeiter*innen, die für eine bestimmte Zeit in Privatwohnungen unterkommen und dort häufig auf engstem Raum wohnen. Kommunen sollen das Recht haben, das durch Kontrollen zu überprüfen. In Kraft treten soll das Gesetz in den ersten Monaten des kommenden Jahres.