Patriarchat geht leer aus

Frauen in einer sich modernisierenden Gesellschaft: Das Kino Arsenal zeigt die Reihe „Spring on the Korean Peninsula: Koreanisches Kino 1934–1962“

Szene aus „A Female Boss“ Foto: Arsenal Institut

Von Ekkehard Knörer

Im koreanischen Kino der vierziger Jahre hängen Plakate der Filme des österreichischen Schauspieler-Regisseurs Willi Forst an der Wand: „Burgtheater“, „Mazurka“, da staunt man nicht schlecht. Und na gut, nicht im koreanischen Kino schlechthin, das damals ohnehin das Kino eines von Japan besetzten Landes war, sondern in einem durchaus besonderen Film. Er ist von 1941, heißt „Bandoui Bom“, Regie Lee Byong-il, auf Englisch trägt er den Titel „Spring on the Korean Peninsula“, und er gibt der von Sulgie Lie und Ansgar Vogt kuratierten Reihe früher koreanischer Filme den Namen.

Der Film fällt allerdings aus der Reihe, der er den Titel gibt, ein wenig heraus. Während sich die Auswahl sonst sehr stark auf Filme konzentriert, in denen es um die Rolle der Frau in der sich modernisierenden koreanischen Gesellschaft geht, gibt es für die Filmplakate in „Bandoui Bom“ einen spezifischen Grund: Dies ist ein Film-über-Film-Film, dessen Story sich um einen Regisseur und dessen Mühe bei der Finanzierung eines Historienfilms dreht. Man sieht, recht ausführlich und realistisch, das Team auf dem Set, nicht im Studio, sondern draußen – wie überhaupt in vielen der Filme lange Szenen auf den Straßen Seouls gedreht sind, deren Verkehr und deren Geschäfte die rasante Modernisierung und kapitalistische Verwestlichung des Landes bezeugen. Später erlebt man die Gründung einer koreanischen Produktionsgesellschaft, in der Totalen, die einen großen Tisch zeigt, sind zwischen all den ernsten Männern mit Schlipsen die zwei Frauen, die auch da sitzen, kaum zu erkennen.

Es gab in Korea, wie ja fast überall auf der Welt, lange so gut wie keine Frauen, die die Chance bekamen, Filme zu drehen. Die eine von zwei Ausnahmen ist Park Nam-ok, in der Reihe läuft ihr einziger Film, „Mimang-In“ (Die Witwe), aus dem Jahr 1955. Er ist auf 16 mm gedreht und erzählt von einer Frau, deren Mann nicht aus dem Koreakrieg zurückgekehrt ist und die nun, allein mit dem Kind, sehr entschlossen ihr Leben auf eigene Faust neu sortiert. Selbstbewusst widersetzt sie sich den Avancen eines reichen Freunds ihres verstorbenen Mannes – und gerät in ein ziemliches amouröses Durcheinander, das Park Nam-ok aber mit schönem Ernst porträtiert. Herausragend eine Szene in den Wäldern über der See mit zelebriertem Kameraschwenk und einem Gesangsduett der bewegenden Art.

Regisseurin Park hatte beim Dreh ihr kleines Kind stets auf dem Rücken, es ist auch zu lesen, dass sie Cast und Crew täglich bekochte. Ein Erfolg wurde der Film nicht, leider findet sich in den Archiven nur noch eine unvollständige Kopie: bei der vorletzten Rolle fehlt der Ton, die letzte ist gänzlich verschwunden. Komplett erhalten ist dagegen der andere Film einer Regisseurin, Hong Eun-won, „Yeo-Pansa“ (Die Richterin) von 1962, mit einer Heldin, die sich als Richterin ihren Platz im patriarchalen Rechtswesen des Landes erkämpft.

Das ist eine interessante Parallele zu „Eoneu Yeodaesaengui Gobaek“ (Geständnis einer Studentin) von 1958, dem vielleicht feministischsten Film dieser Reihe, gedreht vom sehr renommierten Regisseur Shin Sang-ok – international bekannt wurde er so richtig aber erst, als ihn Kim Jong Il in den Siebzigern nach Nordkorea entführen ließ, wo er dann Propagandafilme drehen musste.

In einem etwas kompliziert eingefädelten Plot wird die Heldin So-yeong (Eun-hie Choi) hier ohne Wenn und Aber dazu ermächtigt, mit Hilfe eines Betrugs Karriere als Rechtsanwältin zu machen. In ihrem ersten großen Fall verteidigt sie gleich eine Frau, die den Vater ihres Kindes getötet hat, als der sie auf die Bitte um Unterstützung einfach verhöhnte. Beiden Frauen, der Betrügerin wie der Angeklagten, steht der Film mit ziemlich unbedingter Sympathie gegenüber. Als Se-ywong sich am Ende der Frau des Mannes offenbart, als dessen Tochter sie sich betrügerisch ausgab, bekommt sie noch deren Segen dazu: Leer aus geht das Patriarchat.

Ganz anders die Komödie „Yeo-Sajang“ (Ein weiblicher Chef), ein Jahr später gedreht. Hier regiert eine sehr selbstbewusste Frau mit dem Künstlernamen Joanna (Mi-ryeong Jo) als Herausgeberin eines Frauenmagazins. Manch ein Mann, der es auf sie oder einen Job als Redakteur absieht, wird als wenig einnehmende Karikatur eines Finsterlings oder Lüstlings gezeichnet. Umso überraschender der geradezu panische Umschlag am Ende: In den letzten fünf Minuten wird die moderne Frau als Mutter zurück in den Haushalt geräumt. Auf einem Schild über ihrem Schreibtisch stand „Frauen sind Männern überlegen“ zu lesen. Auf dem Schild, das in einem letzten Triumph stattdessen montiert wird, ist dann wieder alles im Lot und das Gegenteil wahr.

17.–31. 10., Kino Arsenal