Katrin Gänsler über Freilassung politischer Gefangener in Kamerun: Beschwichtigung statt Lösung
Der Jubel in Kamerun ist am vergangenen Wochenende groß gewesen. Endlich sind gut 100 politische Gefangene aus der Haft entlassen worden, denen nun der Prozess vor einem Militärgericht mit völlig unklarem Ausgang erspart bleibt. Der Chef der Renaissance-Bewegung, Maurice Kamto, wurde von Tausenden Unterstützern begrüßt, als er das Gefängnis in Jaunde verließ. Für die Betroffenen, ihre Familien und Freunde ist das eine große Erleichterung. Die Krise im anglophonen Teil beendet das jedoch nicht.
Der Zeitplan war von Präsident Paul Biya offenbar genau kalkuliert worden. Er hätte die Ex-Häftlinge um Oppositionspolitiker Maurice Kamto schon vor Wochen begnadigen können, etwa als klar war, dass der Prozess Anfang September verschoben wird. Stattdessen fiel diese genau in die Woche des nationalen Dialogs. Die Entscheidung sollte offenbar als großer Beitrag der Regierung wirken, doch noch eine friedliche Lösung zu finden.
Mit der Krise in den Regionen Nordwest und Südwest in Kamerun hat sie jedoch nur bedingt zu tun. Viele Oppositionelle stammen aus dem frankophonen Teil. Im Wahlkampf im vergangenen Jahr hat sich auch Kamto wenig zur Krise geäußert.
Für die anglophone Bevölkerung, gleich ob sie eine Teilung des Landes will oder nur grundlegende Reformen, ändert sich durch diesen Schritt nichts. Er sorgt nicht dafür, dass die Schusswechsel ausbleiben, die Ausgangssperren aufgehoben und Bewohner*innen nicht von Rebellen erpresst werden. Er ist kein Zeichen, dass die Kritik an der Regierung in Jaoundé ernst genommen wird und sich in Kamerun wirklich etwas ändert.
Das wird unter Präsident Paul Biya, der seit 1982 an der Macht ist, auch nicht möglich sein. Viel zu lange hat er Forderungen nach Reformen ignoriert und nichts dafür getan, dass ein Gemeinschaftsgefühl in dem Land entsteht.
Stattdessen ist die Spaltung in den vergangenen Jahren immer tiefer geworden. Daran wird die Freilassung der politischen Opposition nichts ändern. Vielmehr lenkt sie lediglich von den eigentlichen Problemen in Nordwest und Südwest ab.
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