petition der woche
: Wie viel Pfand gibt es für 729 Kippenstummel?
Umweltschützer, die sich „Die Aufheber“ nennen, starteten eine Petition zur Einführung eines Kippenpfandes. Sie fordern pro Zigarette 20 Cent. Dafür soll es beim Kauf einen Taschenaschenbecher geben, der, gefüllt mit den Stummeln (und gemeinsam mit der leeren Schachtel), zurückgebracht wird.
Ja, Rauchgegner lieben rauchfreie Zonen wie ihren ganz persönlichen Schrebergarten Eden. Und deswegen denken sie sich immer neue restriktive Maßnahmen aus: rauchfreie Kneipen, gelbe Quadrate, die auf Bahnhöfen die „Gesunden“ von den „Kranken“ trennen. Es gibt nicht einmal mehr liebevoll gestaltete Zigarettenschachteln. Dafür aber Warnungen in Todesanzeigenmanier.
Der Raucher hat viel einstecken müssen in den letzten Jahren. Manchmal glaubt man, es handle sich bei der Verbotspolitik nicht um eine gesundheitsfördernde Maßnahme, sondern um eine Form der kulturellen Dominanz, die die qualmende Lebensfreude unterminieren und den gemeinen Raucher um den Genuss bringen möchte.
Doch die Initiative hat gute Gründe: In Deutschland würden jährlich 72 Milliarden Zigaretten verkauft, erzählt Stephan von Orlow, der sich schon seit Längerem mit Umweltschutz auseinandersetzt. Er ist Initiator der Aufheberkampagne. Etwa 80 Prozent aller Stummel würden auf der Straße landen. Die Folgen: Nikotin, Blei, Arsen und viele weitere Gifte landen ungefiltert im Boden. „Steckt man vier Lachse in einen Eimer Wasser, in dem eine Kippe ist“, erzählt von Orlow, „sterben alle in wenigen Tagen.“ Er schätzt, dass nach Einführung eines Kippenpfandes 90 Prozent aller Zigarettenstummel, also etwa 65 Milliarden, zurückgebracht werden würden.
Auch der ästhetische Aspekt lässt sich nicht leugnen. Auf dem Weg, vom Berliner U-Bahnhof Kochstraße zum taz-Gebäude in der Friedrichstraße, laut Google Maps eine Entfernung von 240 Metern, liegen nach eigener Recherche 729 Kippen – alleine auf einer Straßenseite. Macht 145,80 Euro Pfand. Man könnte sie in 15 Minuten aufsammeln, steuerfrei. Wo sich ein Markt eröffnet, erschließen sich rasch Methoden, dessen Möglichkeiten auszuschöpfen. Aber was ist mit den restlichen zehn Prozent? Und werden demnächst etwa Obdachlose, Bettler und Rentner den hochgiftigen Müll der Mittelklasse beseitigen?
So undurchdacht sei dieses Konzept nicht, meint Stephan von Orlow. Die Initiative arbeitet an einem Modell dass sich „Freie Sammler“ nennt. Auf die restlichen zehn Prozent, die noch immer auf der Straße liegen und nicht von den Rauchern selbst zurückgegeben werden, gebe es lediglich ein bis zwei Cent Pfand pro Kippe. Und damit nicht jeder Kioskbesitzer zwangsläufig mit dem giftigen Müll konfrontiert wird, werde die Pfandrückgabe nur von speziell ausgestatteten Supermärkten angeboten werden.
Die Kampagne hat bereits 75.000 Newsletterabonennten – und bekommt sogar internationalen Zuspruch. Die Initiatoren gaben dem kasachischen Fernsehen und der BBC Interviews und treffen sich regelmäßig mit Politikern. „Die Kampagne läuft, bis wir sie realisiert haben. Oder jemand mit einer besseren Idee um die Ecke kommt.“ Clemens Sarholz