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Atomabkommen mit IranNicht mehr zu retten

Irans Präsident Rohani lehnt in New York Verhandlungen mit den USA ab. Stattdessen deutet er überraschend eine Kooperation mit Saudi-Arabien an.

Hassan Rohani besinnt sich auf die direkten Nachbarn: Er will eine Kooperation mit Saudi-Arabien Foto: ap

Berlin taz | Geradezu überschwänglich ist im Iran die Rede von Präsident Hassan Rohani vor der UN-Vollversammlung begrüßt worden. Rohani sei es in New York gelungen, die Würde und Ehre des Iran zu verteidigen, die USA als Aggressor zu entlarven und zu zeigen, dass der Iran auch nicht durch „maximalen Druck“ in die Knie gezwungen werden könne.

Wie erwartet hatte Rohani am Mittwoch Verhandlungen mit den USA über eine Beilegung der Krise eine Absage erteilt. „Wir können nicht an die Einladung zu Verhandlungen von Leuten glauben, die behaupten, die schärfsten Sanktionen der Geschichte gegen die Würde und den Wohlstand unserer Nation verhängt zu haben“, sagte er. „Die iranische Nation wird niemals diese Verbrechen vergessen oder vergeben.“ Iran werde niemals einen Krieg beginnen, sich aber vehement zur Wehr setzen, wenn er angegriffen werde, sagte Rohani weiter.

Gleichzeitig kündigte der Präsident eine Friedensinitiative an, die allerdings bislang vage ist. Die Region stehe am Abgrund, und eine Rettung sei nur möglich, wenn die Anrainerstaaten des Persischen Golfs miteinander kooperierten und ohne fremde Einmischung Sicherheit und Stabilität in der Region verteidigten. Er schlug vor, eine „Koalition der Hoffnung“ zu bilden. „Wir sind Nachbarn untereinander, nicht Nachbarn der Vereinigten Staaten“, sagte er – vor allem an Saudi-Arabien gerichtet.

Trotz des überschwänglichen Lobes für Rohanis Rede ist in den iranischen Medien Unsicherheit und Resignation zu spüren. Sadegh Sibakalam, einer der bekanntesten Kommentatoren des Landes, schreibt in der Zeitung Shargh, die Hoffnung auf neue Ansätze zur Lösung des Konflikts sei vergeblich gewesen. Inhaltlich hätten weder US-Präsident Trump noch Rohani Neues gesagt. Der Vorschlag Rohanis, eine Koalition mit Saudi-Arabien und anderen Staaten am Persischen Golf zu bilden, sei in Anbetracht der gegenwärtigen Umstände unrealistisch.

Alle Hoffnung auf Europa

Die Enttäuschung über die Ereignisse der vergangenen Tage ist nicht zuletzt auf den sich abzeichnenden Kurswechsel der drei EU-Staaten Deutschland, Frankreich und Großbritannien zurückzuführen. Zwar betonen die drei Staaten immer noch, an dem internatio­nalen Atomabkommen mit dem Iran aus dem Jahr 2015 festzuhalten, doch haben sie sich in den letzten Tagen der US-Position angenähert.

In einer gemeinsamen Erklärung machten sie den Iran am Montag nicht nur verantwortlich für den Angriff auf saudische Ölanlagen Mitte September. Sie forderten auch Ergänzungen zum Atomabkommen. Nach dem Rückzug der USA aus dem Atomabkommen im vergangenen Jahr und den massiven Sanktionen, die Washington gegen Iran verhängte, hatte Teheran alle Hoffnungen auf Europa gesetzt.

Die ultrarechte iranische Tageszeitung Kayhan, die schon immer gegen das Abkommen war und als Sprachrohr des Revolutionsführers Ali Chamenei gilt, legte am Donnerstag eine hämisch anmutende Freude an den Tag, nämlich darüber, dass Rohani nun seine Position gewechselt und sich mit seinen klaren Äußerungen auf der UN-Vollversammlung von den kompromissbereiten Reformern distanziert habe – bereits Anfang September hatte er vor dem Parlament in Teheran auch gegen die EU Position bezogen. „Wir hoffen, dass der Präsident diese Position fortsetzt und zu einigen seiner Berater Abstand nimmt“, heißt es in Kayhan.

Iran steht aufgrund der US-Sanktionen unter enormem Druck. Das Atomabkommen, auf das die Regierung Rohani alle Hoffnungen gesetzt hatte, um die Wirtschaftskrise zu überwinden, ist kaum noch zu retten. Der Präsident scheint auf allen Ebenen zu scheitern. Nun sind die Radikalen im Iran wieder am Zug.

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