Nachrichten via soziale Netzwerke: Insta-Qualitätsjournalismus

Immer mehr Redaktionen wollen die Reichweite in sozialen Netzwerken vergrößern. Betreibern kommt das gelegen. Die Vertrauensfrage bleibt ungeklärt.

eine Frau tippt auf ein Smartphone

Nutzer wollen ethische Standards und Privatsphäre. Aber sie mögen es auch bequem Foto: dpa

Soziale Netzwerke haben in den letzten zehn Jahren die Kommunikation weltweit revolutioniert – und mit ihr den Journalismus. Besonders die jungen Medienkonsumenten informieren sich gern über Plattformen wie Instagram oder Facebook. Allein Facebook verzeichnet 2,4 Milliarden Nutzer. Für den klassischen Journalismus ist das eigentlich ein Problem, aber die meisten „Qualitätsmedien“ sind inzwischen selbst in den Netzwerken mit eigenen Accounts vertreten.

Gerade hat der WDR beispielsweise einen Instagram-Kanal für seine Dokus gestartet, um, wie der Sender in einer hausinternen Publikation sagt, „der dort dominierenden Wohlfühlwelt der Schminktipps ein paar rauere Themen entgegenzusetzen“ und „neue und jüngere Themen auszuprobieren“.

Die ProsiebenSat.1-Gruppe wiederum kooperiert mit Facebook Watch. Die Sendergruppe veröffentlicht dort Clips und Kurz-Episoden bekannter Formate wie „Late Night Berlin“, „Galileo“ oder „SAT.1-Frühstücksfernsehen“. Auf Facebook Watch wollen auch europäische Verlage Videos bereitstellen, unter anderem Springer, Burda sowie Gruner + Jahr. Facebook beteiligt die Verlage dafür an Werbeerlösen.

„ZDF heute“ ist schon lange auf den Plattformen präsent, fast eine Million haben das Nachrichtenformat der Mainzer auf Facebook abonniert, über 360.000 auf Instagram. Aber wer prägt eigentlich wen in der Kooperation zwischen Journalismus und Plattform?

Partner oder Lieferant für Inhalte?

„Wir tauschen uns natürlich mit den Plattformen über die neuesten Trends und Entwicklungen aus, aber wir sehen uns nicht als ‚Partner‘“, sagt Malte Borowiack vom ZDF. Partner, das sei ein Begriff, den Facebook immer gern verwende, aber das ZDF wolle „natürlich auch weiterhin journalistisch, kritisch auf diese Plattformen schauen“.

Als Inhaltelieferant Geld verdienen, etwa bei Facebook, das dürfen die Öffentlich-Rechtlichen nicht. Werbung schalten auf den eigenen Social-Media-Kanälen aber schon. Das übernimmt dann die ZDF–Marketingabteilung, um mit Unterstützung, zum Beispiel von Facebook, zielgruppengenau auf TV-Sendungen hinzuweisen. Die Social-Media-Präsenz hilft Sendern zudem, das Mediennutzungsverhalten der jungen Zielgruppen auszuwerten.

Im April hat Facebook den Start des „Local News Subscriptions Accelerator“ in Deutschland bekannt gegeben. Das mit 2 Millionen Euro geförderte Programm soll lokale Verlage in Deutschland bei der Weiterentwicklung von digitalen Bezahlmodellen unterstützen.

Die Nutzer digitaler Produkte fordern nachvollziehbare ethische Standards

Facebook-Sprecher Klaus Gorny sagt: „Wir bieten Werkzeuge, Ressourcen sowie Schulungen.“ Das Ziel: „die Weiterentwicklung von digitalen Lesergruppen, das Branding für Medienmarken und die Vermarktung von digitalen Abonnements“. Die Rheinische Post habe so in den ersten drei Wochen 38.000 Leser für das neue „Freemium“-Abonnement gewonnen.

Die neuen Gatekeeper

Andersherum profitieren die Plattformen von den journalistischen Redaktionen, was Fake News angeht. Face­book macht in Deutschland etwa Faktenchecks in Zusammenarbeit mit der Deutschen Presse-Agentur und dem Journalistenverbund Correctiv.

Was bleibt, ist die Frage nach dem Verlust der Unabhängigkeit, der großen klassischen Medienunternehmen drohen könnte. Davor warnen Forscher seit Jahren. Zwar gewinnt ein Medienhaus zunächst die Möglichkeit, seine Inhalte einem größeren Publikum zugänglich zu machen, aber es bleibt undurchsichtig, nach welchen Mechanismen und Kriterien die Intermediären auf die Verbreitung Einfluss nehmen. Mit Facebook und Instagram verwalten bloß zwei Plattformen, die zudem zum selben Unternehmen gehören, den Zugang zahlreicher klassischer Nachrichtenanbieter zur Öffentlichkeit.

Viel diskutiert wird beim Wandel des Journalismus immer das Thema „Vertrauen“. Die große Mehrheit macht sich Sorgen über eine missbräuchliche Verwendung ihrer Daten. Eine Umfrage des Bundesverbands Digitale Wirtschaft kommt außerdem zu dem Ergebnis, dass 72 Prozent der Befragten digitale Produkte und Services bevorzugen, die so entwickelt und geplant werden, dass sie nachvollziehbare ethische Standards erfüllen. Ein Großteil der Verbraucher plädierte dabei für eine unabhängige Instanz, die die Einhaltung dieser Standards überwachen sollte. Wer über Vertrauen im Journalismus spricht, muss also auch über Plattformen sprechen, die den Zugang verwalten.

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