wie machen sie das?: Die Zugfahrerin
Regine Gwinner, 57, ist Chefredakteurin des Magazins „Anderswo“ für nachhaltigen Tourismus. Sie lebt in Bonn.
taz am wochenende: Frau Gwinner, Sie reisen seit vielen Jahren ohne Flugzeug durch ganz Europa. Wie machen Sie das?
Regine Gwinner: Meine Art zu reisen ist eher ein Rumvagabundieren. Sobald ich das erste Mal aus dem Zug steige, fängt für mich der Urlaub an. Wenn ich nach Süden fahre, komme ich oft mit dem Nachtzug morgens in Basel an. Dann geh ich bei Sonnenaufgang in die noch menschenleere Stadt und schaue, wo ich schon einen Kaffee bekomme – das ist Urlaub.
Muss man da nicht unglaublich viel planen?
Nicht unbedingt. Wir haben mal einen Familienurlaub gemacht, da bin ich drei Tage vorher an den Schalter und hab gefragt, ob es noch Tickets nach Wales gibt. Es war ein fantastischer Urlaub. Wir hatten einen Zwischenstopp in London und sind dann in Wales gewandert.
Brauchen Sie diese Zwischenstopps fürs Urlaubsfeeling?
Der Übergang ist fließender. Man hat nicht die Anreise und dann den Urlaub, wie es beim Fliegen ist. Die Anreise gehört schon dazu. Die Zwischenstopps sind zwar immer eine Überraschung, aber auch immer toll. Oft kenne ich die Städte ja vorher noch nicht.
Sind Sie schon immer so gern Zug gefahren?
Ja, das ist vielleicht auch ein bisschen ein Generationending. Zum ersten Mal richtig unterwegs war ich mit Interrail. Als die Billigflieger aufkamen, habe ich das ein paar Mal gemacht. Aber ich fliege nicht gern.
Also machen Sie das nicht aus Prinzip?
Ich bin sehr froh, dass meine persönlichen Vorlieben zu meinen politischen Überzeugungen passen. In Europa gibt es so viel zu entdecken – da habe ich gar nicht das Bedürfnis, nach Asien oder so zu reisen. Wenn man gern fliegt oder ständig Fernweh hat, ist das schwieriger.
Fliegen Sie auch mal?
Meine Tochter hat im Winter in Athen gelebt. Da wollte ich sie besuchen, hatte aber nicht so viel Zeit. Aber ich versuche, das zu vermeiden.
Was war Ihre längste Reise?
Ich bin einmal mit dem Zug 48 Stunden von München nach Athen gefahren – durch die Alpen, den Balkan runter, dann Albanien – es war spektakulär.
Wird das nicht auch mal langweilig?
Für mich ist das geschenkte Zeit. Ich genieße es, mich in den Zug zu setzen und zu wissen: Das ist meine Zeit. Ich entscheide, ob ich erreichbar bin, kann lesen oder einfach nur aus dem Fenster gucken.
Ist der Zug ihr Lieblingsfortbewegungsmittel?
Ja, aber ich fahre auch total gern mit der Fähre. Das ist wie eine kleine Kreuzfahrt, ich guck aufs Meer und komme tiefenentspannt an.
Interview:
Christina Spitzmüller
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