Hört aufzu meckern

Schaf Friedrich liebt Sachsen und kritisiert Zweibeiner

In Liebethal bei Pirna gehen wir den Malerweg entlang. Wir begegnen keiner Menschenseele, aber treffen auf drei Schafe, die gerade über die vielen berühmten Künstler (vor allem Määhnner) diskutieren, die sich von der Landschaft entlang dieser Route inspirieren ließen. Sie stellen sich uns vor als Caspar, David und Friedrich. Nur Friedrich erklärt sich zum Interview bereit.

taz am wochenende: Friedrich, wie lebt es sich eigentlich so als Schaf in Sachsen?

Friedrich: Großartig natürlich, gucken Sie sich doch mal diese Aussicht an! Wie vielen Schafen geht’s schon noch so gut?

Aber hier ist doch bestimmt nicht alles super.

Määäh, stimmt. Manchmal wird hier schon auch gemeckert, aber das ist ja eher so ein Zweibeiner-Ding.

Wie meinen Sie das?

Wo soll ich da anfangen? Ihr habt doch dauernd irgendein Problem. Mal ist es zu heiß, mal zu kalt, mal ist irgendwas mit Fußball – und mit Politik sowieso, mäh!

Och, aber wir sind ja extra wegen der anstehenden Landtagswahlen aus Berlin angereist.

Ja klar, das ist ja mal wieder typisch Hauptstadtjournalismus! Kommen nur nach Sachsen, wenn gewählt wird oder Nazis aufmarschieren und denken dann, sie hätten alles verstanden.

Wirklich, so denken Sie über uns?

Na ja. Ich find’s schon gut, wenn Sie sich für uns interessieren. Und natürlich sind hier in Sachsen auch nicht alle lammfromm (lacht). Aber ich finde schon, dass es Zeit braucht, um eine Region wirklich zu verstehen. Und mal ehrlich, wie lange bleiben Sie denn?

Zugegeben, einige von uns sind nur wenige Tage hier …

Na sehen Sie. Ich hoffe, Sie sind wenigstens nicht von dieser Blök-Zeitung?

Nein, nein, wir sind von der taz. Aber noch mal zurück zum Thema. Was könnten wir denn Ihrer Meinung nach besser machen?

Sie können von uns Schafen lernen, Geduld zum Beispiel und Gemeinschaft. Vergessen Sie mal diese sogenannten sozialen Määhdien und nehmen Sie sich wieder mehr Zeit für Ihre Spezies.

Wie stellen Sie sich das vor?

Ständig gucken Sie nur auf Ihre Smartphones, niemand guckt sich mehr in die Augen. Das ist ein menschliches Grundproblem, und das überträgt sich natürlich auch auf Bereiche wie Politik und Journalismus. Meine Meinung.

Und was sollen wir ganz konkret hier in Sachsen tun?

Ganz einfach: Gehen Sie da hin, wo nicht nur Ihre eigene Weltsicht bestätigt wird. Suchen Sie nach dem Widersprüchlichen und sprechen Sie auch mal mit denen, die seltener zu Wort kommen.

Danke für die Tipps und für Ihre Zeit. Wollen Sie vielleicht noch ein Radieschen?

Ich bitte Sie. Das ist mir viel zu schaf.

Interview: Lin Hierse,

Hanna Voß