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Personal in Bewegung

Die Theater-Spielzeit 2019/20 wird geprägt von Ab- und Neuzugängen. Matthias Lilienthal etwa verlässt die Münchener Kammerspiele, neue Intendantin wird dort Barbara Mundel

Von René Hamann

Es werden Verluste zu beklagen sein. Matthias Lilienthal, Intendant der Münchner Kammerspiele, von dem man in der Süddeutschen Zeitung erfahren konnte, dass er „keine privaten Fotos auf seinem Schreibtisch stehen“ hat, weil das „spießig“ sei, wird endgültig seinen Hut nehmen. Davon abgesehen, dass das Theater nicht nur für den umtriebigen 59-Jährigen die Familie darstellt, der er ansonsten vielleicht lieber ausweicht, wird sein Abgang in der bayerischen Hauptstadt eine Lücke hinterlassen.

Denn seinen Job hat Lilienthal, der vorher recht erfolgreich am Berliner HAU tätig war, anscheinend gut gemacht. Es gab aufsehenerregende Skandale und so manche Überraschung wie das zum Theatertreffen eingeladene „Mittelreich“ an den Kammerspielen. Auch hat Lilienthal besonders anfangs versucht, sein Theater zurück in die Stadt zu spielen, zum Beispiel mit den Wohnkisten „Shabbyshabby Apartments“. Vom HAU hat er sich 2012 mit einer Monster-Sample-Aufführung von „Unendlicher Spaß“ von David Foster Wallace verabschiedet, aus München scheidet er mit einem ganz ähnlichen Projekt: Roberto Bolaños „2666“. Einer 24-stündigen Marathon-Performance, die vom Olympiaberg durch den Stadtraum führen soll, von mehreren Regisseurinnen und Regisseuren inszeniert. Ende Mai 2020 soll es so weit sein.

Zweite starke Frau

Danach soll die Münchener Regisseurin Barbara Mundel, derzeit Dramaturgin der Ruhrtriennale, die Kammerspiele übernehmen. Wohin es Lilienthal verschlägt, ist noch nicht raus. Mundel, die betont, die „mutige“ und ambitionierte Tradition des Hauses bewahren zu wollen, wird neben Karin Baier in Hamburg die zweite starke Frau in der deutschen Theaterwelt und überhaupt die erste Intendantin der Kammerspiele sein.

Karin Baier indes, die „Pop-Ikone des Theaters“ (Cicero), schiebt in Hamburg am Deutschen Schauspielhaus inzwischen eher eine ruhige Kugel und schützt sich laut Hamburger Abendblatt vor Kritik, indem sie solche erst gar nicht liest. Am 6. September ­inszeniert Falk Richter hier Michel Houellebecqs „Serotonin“; mit Spannung erwartet wird auch „Anatomie eines Suizids“ der jungen Autorin Alice Birch. Studio Braun nehmen dann noch Kleist auseinander, während Baier selbst zunächst lieber nebenan an der Hamburger Staatsoper inszeniert, nämlich „Die Nase“ von Schostakowitsch, nach Gogol.

In Köln, ihrer Heimatstadt, vermisst man sie immer noch. Stadt und Spielort sind seit ihrem Abgang wieder ins Mittelmaß der deutschen Provinz zurückgesunken. Die Sanierung und der Neubau der Häuser von Oper und Theater am Offenbachplatz werden noch mindestens bis zum Jahr 2023 andauern. Die „Bühnen der Stadt Köln“ entpuppen sich ähnlich wie die neue U-Bahn-Strecke in der Kölner Südstadt als Millionengrab. Der BER lässt grüßen.

Umgebaut wird allerdings auch anderswo, zum Beispiel am Berliner Maxim Gorki Thea­ter. Der Container, der derzeit vor dem Gebäude steht, soll bis Ende 2020 als dritte Spielstätte dienen. Grund sind Bauarbeiten im Haupthaus. Ob der Ausweichort als neues „Herzstück“ (mit Heiner Müllers kurzem Stück wurde die Spielzeit 2019/20 im August eröffnet) an dem migrantisch-divers orientierten Haus unter Shermin Langhoff gelten wird? Rund 200 Zuschauer haben darin Platz, die Sanierungsarbeiten am Gorki und der Ersatzcontainer sollen rund 3,5 Millio­nen Euro kosten. Zurück nach München: Witzig ist, dass auch Lilienthals Antipode in München, Martin Kušej, Intendant am Residenz Theater, die Stadt verlassen wird.

Kušej wechselt ans Wiener Burgtheater. Dort geht es bereits am 12. September mit „Bakchen“ von Euripides los, inszeniert von Ulrich Rasche. Kušej gilt als Konservativer, wenn nicht gar als Reaktionär, die „Burg“ im blau-schwarzen Österreich allerdings als Bastion der Dissidenz; man denke nur an Bernhard, Handke oder Jelinek. Martin Kušej ­allerdings möchte das Burgtheater nicht als Nationaltheater, sondern als europäisches Theater verstehen.

Auch anderswo ist Personal in Bewegung. René Pollesch wird zur Berliner Volksbühne zurückkehren, allerdings erst 2021. Es wird die erste und vielleicht auch letzte Station für den bald 57-jährigen Regisseur und Autor als Intendant sein. Man darf gespannt sein, welche alten Schlachtrösser ebenso den Weg zurück in die alte Heimat finden werden. Castorff wohl nicht. Auch Fritsch und Mar­thaler ­stehen wie die Schau­spielerin Sophie Rois noch an anderen Berliner Häusern unter Vertrag. Was nichts heißen muss.

Pollesch wird vorher allerdings das Highlight für die Hauptstadt im Herbst 2019 liefern: mit Starschauspieler Fabian Hinrichs wird er ausgerechnet im Berliner Friedrichstadtpalast inszenieren. „Glauben an die Möglichkeit der völligen Erneuerung der Welt“, heißt das Stück, Premiere ist am 9. Oktober, ironisch gebrochene Tanzrevuenummern sind zu erwarten. Es wirken nicht weniger als 26 Tänzer mit.

Ob an eine völlige Erneuerung des Theaters geglaubt werden kann, ist indes höchst zweifelhaft. Die Volksbühne der nuller Jahre stand für die letzten Erneuerungen innerhalb des Bühnenbetriebs. Auch der alten Auseinandersetzung zwischen dem altehrwürdigen klassikertreuen Theater und dem individualistischen Regietheater scheint die Luft ausgegangen zu sein.

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