E-Sport-Szene in Berlin: Auf die Maus, fertig, los!
In Marzahn treffen sich die Gamer des 1. Berliner eSport Club. Die Gruppe sei auch eine Form der sozialen Kontrolle, sagt Vereinsgründer Felix Kluck.
Das „kompetitive Spielen von Videospielen“, so wie Felix Kluck, Vorstandsmitglied des 1. Berliner eSport-Club, die Aktivitäten seines Vereins beschreibt, ist mittlerweile weltweit auf dem Vormarsch. Und durch die zunehmende Popularität wird das wettkampforientierte Zocken, Daddeln oder Gamen auch ein ernst zu nehmender wirtschaftlicher Faktor: Es gibt Firmen, Veranstalter und auch Spieler, die alleine durch ihren Fokus auf den E-Sport Geld verdienen – teils Millionenbeträge. Auch in Deutschland investieren immer mehr der großen Vereine mit Wurzeln im klassischen Sport in digitale Ableger. Der FC Schalke 04 hat eine eigene E-Sports-Abteilung und bei Hertha in Berlin gibt es sogar eine Akademie, die Online-Wettkämpfer fördern soll.
Zwischen diesen Giganten des Sports ist der Club von Felix Kluck allerdings eher die Ausnahme. Vor allem aus wirtschaftlicher Sicht: Obwohl aufgrund mangelnder Anerkennung auf Bundesebene der E-Sport offiziell nicht als gemeinnützig eingestuft werden kann, spricht Kluck dennoch von einer „gemeinnützigen Organisation“, die „nicht gewinnorientiert“ ist. „Jeder kann mitspielen und sich verbessern wollen“, sag Kluck, und das ohne einen professionellen Anspruch. Der sei ohnehin nicht möglich, da die Mitglieder des eSport-Clubs diese nur in der Freizeit „neben Job, Ausbildung, Studium“ ausüben würden.
Wie viel Sport eigentlich in diesem Hobby steckt, ist dabei immer Zentrum einer anhaltenden Debatte. Erheblich erschwert wird diese Diskussion durch die Diversität innerhalb des E-Sports. Die verschiedenen Spiele oder auch Disziplinen unterscheiden sich deutlich darin, welche Fertigkeiten sie auf Spielerseite verlangen.
Der 1. Berliner eSport Club zum Beispiel bietet auf seiner Internetseite zurzeit Trainings in drei unterschiedlichen Computerspielen an. Hauptaugenmerk liegt dabei auf der MOBA League of Legends. MOBA, oder Multiplayer Online Battle Arena, ist der Überbegriff für eine Gruppe von Spielen, bei dem zwei Teams in einer virtuellen Arena gegeneinander antreten und versuchen, die Basis des jeweils anderen Teams zu zerstören. Bei League of Legends, kurz LoL, bestehen die Teams immer aus fünf Spielern. Jeder nimmt, ähnlich wie im Fußball, eine spezifische Rolle im Team ein. Dadurch sind nicht nur persönliches Können und flinke Finger, sondern auch Teamwork und Taktik gefragt.
Elektronischer Sport (oder kurz E-Sport) beschreibt das wettkampforientierte Computerspielen. Dabei können, abhängig von dem Spiel, sowohl Einzelwettkämpfe als auch Mannschaftswettkämpfe möglich sei. Üblich sind dabei Computerspiele, die einen Mehrspieler-Modus besitzen, also es Spielern ermöglichen, gegeneinander anzutreten.
Industrie Der Markt um den E-Sport ist mittlerweile so rentabel und etabliert, dass Spieler, Kommentatoren und Veranstalter hauptberuflich davon leben können. Einige der großen Star-Athleten verdienen mit professionellem Zocken hohe Preisgelder, so wie der Berliner Kuro Salehi Takhasomi, der unter dem Namen „KuroKy“ antritt.
1. Berliner e-Sport Club Mehr über den in Marzahn ansässigen 1. Berliner e-Sport Club gibt es im Netz unter berlinesports.de. (taz)
Kluck zufolge sei deswegen auch einmal die Woche ein gemeinsames Training vor Ort angesetzt. Da sich das neue Vereinsheim noch in der Renovierung befindet, gestaltet sich das momentan allerdings schwierig. Ursprünglicher Trainingsort sei das „Meltdown“ gewesen, so Kluck, eine Bar mit Fokus auf E-Sports in Neukölln, die seit dem 26. Januar 2018 allerdings ihre Pforten geschlossen hat. Dort sei auch die Idee für den ersten E-Sport Verein Berlins entstanden. Seitdem sind die Mitgliederzahlen ständig gewachsen – um die 135 sind es mittlerweile.
Neue Sportstätte sind nun zukünftig 28 Quadratmeter, aufgeteilt in zwei Räume, die den Gamern im Freizeitforum Marzahn zur Verfügung stehen. Dass die E-Sportler diese Örtlichkeit nutzen können, verdankten sie vor allem dem Bezirksstadtrat Gordon Lemm (SPD), so Kluck.
Fünf Sportler, ein Coach
Erst einmal müssen aber die beiden Zimmer renoviert und eingeräumt werden. Fünf Computer sollen in die kleinere Stube, die zur Belüftung ausschließlich ein einziges Fenster besitzt. Ein komplettes Team, bestehend aus fünf Sportlern und einem Coach, soll hier trainieren können. In dem zweiten, etwas größeren Raum soll ein Bildschirm, der das aktuell laufende Spiel des Teams überträgt, angebracht werden. So könnten alle sehen, was die Wettkämpfer im anderen Zimmer gerade zustande bringen. Den Preis für das nötige Equipment – oder Sportgerät – schätzt Kluck dabei auf um die 14.000 Euro. Über die Finanzierung werde derzeit noch verhandelt.
Im Freizeitforum teilt sich das neue Vereinsheim des 1. Berliner eSport-Clubs die Örtlichkeiten unter anderem mit einer Kung-Fu- und Tai-Chi-Schule, einer Schwimmhalle mit Sauna und einer Kegelsportanlage. Direkt neben den 28 Quadratmetern des Clubs tanzen die Kinder einer Ballettschule. Der ein oder andere mag sich da vielleicht fragen, wie dort ein Verein hinpasst, bei dem Computerspielen auf der Tagesordnung steht, oder warum man zum Zocken unbedingt einen Verein braucht. Immerhin ist da das allgegenwärtige Klischee vom daddelsüchtigen und übergewichtigen Kind, das gerne besorgte Eltern auf den Plan ruft.
Seit Mai dieses Jahres stuft die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Computerspielsucht offiziell als eigenständige Krankheit ein. Denn, so die Expertenmeinung: Eine Abhängigkeit von Computerspielen gehe oft einher mit der Vernachlässigung von sozialen Kontakten und einer mangelhaften körperlichen Fitness. Die WHO-Entscheidung wurde sehr unterschiedlich aufgenommen. Die einen sehen positiv, dass es durch diese Einstufung mehr Möglichkeiten für spezifischere Behandlungsverfahren gebe. Andere kritisieren die zunehmende Stigmatisierung der Gamer im Ganzen.
Probleme nicht verharmlosen
„Wir versuchen nicht, Probleme des E-Sports zu verharmlosen – sondern wir versuchen, uns dieser Probleme anzunehmen“, kommentiert Kluck. Deswegen würden sie sich auch freuen, dass sie im Freizeitforum trainieren könnten, denn dort hätten sie die Möglichkeiten, an Aktivitäten außerhalb des E-Sports teilzunehmen – „um Defiziten zum Beispiel in der Fitness vorzubeugen“.
Der Verein selber sei schließlich auch eine Art soziale Kontrolleinrichtung: Sollte eines der Mitglieder die Schule oder Arbeit aufgrund des E-Sports schleifen lassen, würde das innerhalb der Gruppe eher auffallen, argumentiert Kluck.
Für den Club sei es deswegen auch eine wichtige Perspektive, das soziale Engagement zu verbessern und schlussendlich ein Beratungsangebot zur Verfügung zu stellen. Laut Kluck seien sogar schon Schulen auf den Verein zugekommen und hätten gefragt, ob die Möglichkeit einer Aufklärungsveranstaltung bestünde, zum Beispiel im Rahmen eines Elternabends.
Denn bei Eltern, weiß Kluck, ist immer eine gewisse Menge an Überzeugungsarbeit zu leisten. Dabei, betont er, wolle sein Verein gar nicht unbedingt missionarisch noch mehr junge Menschen an die Tastatur bringen, „sondern wir wollen die Menschen, die schon gerne am PC sind, in ein Vereinsgefüge einführen“.
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