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Zu den blauen Bergen

Das Arctic Race in Norwegen zeigt, wie Tour-de-France-Veranstalter ASO den Radsport global vermarktet: mit perfekt durchorganisierten Angeboten

Zwischen Fjord und Bergen, der Radsport lässt nichts aus: 2. Etappe des Arctic Race Foto: Stiehl/imago

Aus Sortland Tom Mustroph

„Was für ein schöner Urlaub“, sagte Radprofi Bernhard Eisel vor dem Start der 3. Etappe des Arctic Race of Norway in dem Küstenort Sortland und wies mit einer Handbewegung auf den nahen Fjord und die sich dahinter erhebenden zackige Gipfellinie der Vesterålen. „Die Landschaft ist schön, die Transfers sind kurz, die Startzeiten angenehm. Ich würde hier zwar nicht unbedingt für einen Urlaub herkommen, aber das Rennen fühlt sich schon fast wie Urlaub an“, meinte der Österreicher lachend.

Das norwegische Tourismusministerium dürfte die Aussage erfreuen. Das nördlichste Rennen des Profikalenders wurde 2013 auch deshalb aus der Taufe gehoben, um den hohen Norden des Landes bekannter zu machen. „Die öffentliche Hand kommt für etwa die Hälfte des Etats auf, die andere Hälfte, knapp zwei Millionen Euro, kommt von Sponsoren. Das ist eine gute Balance“, sagt Laurent ­La­chaux, Marketingchef der ASO.

Die ASO, Eigentümer und Organisator der Tour de France, richtet dieses Rennen aus, wie auch die Vuelta a España, die Fernfahrt Paris–Nizza, das Critérium du Dauphiné, die Eintagesklassiker Paris–Roubaix, Lüttich–Bastogne–Lüttich und Wallonischer Pfeil, die Deutschlandtour und die Tour de Yorkshire. Im Nahen Osten kommt noch die Omanrundfahrt, in Asien das Shanghai Criterium und das Saitama Criterium hinzu. Kaum ein Renntag im Profikalender ist ohne ein ASO-Rennen. „Wir sagen immer, wir haben etwa 65 bis 70 Prozent des Rennkalenders“, meint Lachaux trocken.

Als den großen Monopolisten will Lachaux seinen Arbeitgeber aber nicht sehen. „Es geht uns nicht darum, eine beherrschende Stellung in der Branche einzunehmen. Wir wollen einfach nur Rennen von hoher Qualität organisieren, mit Zugang für möglichst viele Menschen und auf die Bedürfnisse der jeweiligen Städte und Regionen zugeschnitten. Wir können da die passenden Konzepte entwickeln“, sagt er.

Der Mann, der die Konzepte entwickelt, ist Claude Rach. „Das Arctic Race of Norway ist mein erstes Baby und liegt mir deshalb besonders am Herzen“, sagt der Luxemburger. Er ist zugleich eines der ersten Rennen, die die ASO ganz neu kreierte, der Beginn eines neuen Geschäftsmodells. „Wir haben gemerkt, dass der Radsport zu lange auf sich selbst bezogen war. Die Städte wollten etwas anderes. Wir haben das zuerst beim Grand Départ der Tour gemerkt. Das hat uns die Möglichkeit gegeben, Rennen außerhalb Frankreichs zu organisieren“, blickt Lachaux auf den Beginn der Internationalisierung zurück. Zum Paket, das die Städte wollen, und für das sich die Sponsoren engagieren, gehört dann auch, am Rande des Profirennens Veranstaltungen für Amateursportler zu organisieren.

Am Start und Ziel des Arctic Race gab es daher regelmäßig Radrennen für Kinder. Großer Höhepunkt für sie: Im Zielbereich empfing sie das Musikkorps der Königlichen Garde. Die Männer und Frauen in den Uniformen mit den hohen Fellmützen bildeten ein Spalier und feuerten die Kleinen an. Ein Erlebnis fürs Leben. „Als die Königliche Garde das erste Mal bei uns beim Arctic Race auftrat und am Rande der Strecke spielte, hatte der Moderator des norwegischen Fernsehens Tränen in den Augen“, umreißt Rach die Bedeutung dieser speziellen Musikkapelle für die Norweger.

„Der Radsport war zu lange auf sich selbst bezogen“

Claude Rach, ASO

Dass die ASO sich überhaupt für Norwegen interessiert, später nach Yorkshire ging und im vergangenen Jahr auch noch das Abenteuer Deutschlandtour begann, liegt daran, dass all diese Rennen Vehikel sind, die Tour de France als Marke noch bekannter zu machen.

Da werden sogar wirtschaftliche Verluste – wie aktuell noch bei der Deutschlandtour – hingenommen. Mittelfristig geht es darum, den Pool an Sponsoren zu vergrößern, auch in Hinblick auf die Megawerbeplattform Tour de France selbst. Und mit den jeweiligen Fernsehsendern im Ausrichterland geht man engere Kooperationen ein – eine Stabilisierung der größten Kapitalquelle im Profiradsport: der medialen Reichweite.

Sport gab es auch noch. Mathieu van der Poel, das neue Ausnahmetalent des Radsports, gewann die erste Etappe. Von ihm ging das gelbrote Leadertrikot dann zum französischen Meister Warren Barguil über. Und zur Freude der einheimischen Zuschauer holte der junge norwegische Profi Odd Christian Eiking den Tagessieg auf der Königsetappe. Auch in diesem Paket war für jeden etwas dabei.

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