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Das Glück, einen Körper zu haben

Wenn der Cyborg zum Leben erwacht, hat Mitski alles gut gemacht. Die Sängerin wird im Heimathafen heftig bejubelt

Von Jan Jekal

Mitski steht am Bühnenrand des Heimathafens, man sieht sie im Profil, ihre linke Seite zeigt zum Publikum. Der Gitarrist beginnt mit einem hektischen Lauf, der wie der Soundtrack eines Gameboy-Spiels klingt, und Mitski geht gleichmäßig und mit kleinen Schritten in die Bühnenmitte, das Mikrofon hält sie sich in einem rechten Winkel vor den Mund, sie verzieht keine Miene, als sie eine sich in die Höhe schraubende Figur singt, bei der sich ihre Stimme kunstvoll überschlägt. Der Schlagzeuger steigt ein, plötzlich wird das Lied richtig mächtig. Wie so häufig bei der 28-jährigen Amerikanerin entwickeln sich Songs, die nur mit einer E-Gitarre und ihrer Stimme beginnen, zu monumentalen Hymnen, opulent verzerrten Indie-Rock-Spektakeln.

Aber erst einmal nähert sie sich in mechanischen Schritten der Mitte, reagiert nicht auf die Gitarrenwand, hält den Kopf starr, dreht ihn erst zum Ende des Songs in einer langsamen, kontrollierten Bewegung in Richtung des Publikums.

Dann sagt sie, mit der entseelten Stimme von Navigationsgeräten oder Sprachassistenten: „My name is Mitski.“ Es handelt sich um eine stilisierte Performance, eine kalkulierte Choreografie, in der sie den kühlen Cyborg verkörpert. Wie ein Fitness-Roboter macht sie, weißes T-Shirt und enge schwarze Shorts tragend – und Knieschoner! –, Aerobic-Übungen vor, langsam und unter enormer Körperspannung.

Ihre beiden Requisiten, einen Tisch und einen Stuhl, schnörkellose Holzmöbel, nutzt sie exquisit; sie stellt sich auf den Tisch, macht die Radfahrer-Trockenübung auf dem Tisch, räkelt sich auf dem Tisch, stellt den Tisch quer und lehnt sich an den Tisch, fasst den Tisch an den Tischbeinen an und rüttelt ihn wie eine Wahnsinnige. Sie kniet sich auf den Stuhl, hebt in einer lasziv-langsamen Bewegung den Po, dessen Form in den engen Shorts deutlich erkennbar ist, und es gibt Szenengekreische, vor allem von den Frauen aus dem mehrheitlich weiblichen Publikum, so sexy sind die Positionen, die Mitski einnimmt.

Die roboterhaften Bewegungen weichen zunehmend einem ungehemmten Tanzen. Sie verwandelt sich vom emotionslosen Cyborg zur flehend gestikulierenden Pop-Sängerin. Das Konzert kulminiert mit dem von digitaler Verzerrung dominierten „Happy“, dessen chaotisches Crescendo Mitski ausgelassen tanzend begleitet; sie hüpft wie ein Mädchen, die Arme gestreckt, sich um sich selbst im Kreis drehend, herzhaft lachend, ein Bild von Überschwang, von Euphorie, vom Glück, am Leben zu sein und einen Körper zu haben, mit dem man tanzen kann, das Roboterhafte scheint überwunden, die Schrauben abgesprungen, weggetanzt. Das Publikum reagiert, beginnt ebenfalls zu hüpfen. Dann aber: Störgeräusche grätschen in den Song. Mitski zuckt mit dem Kopf, verkrampft, bleibt dann starr. Wieder der leere, nichts fokussierende Blick. Sie ist wieder zum Roboter geworden. Das Konzert ist vorbei.

Als Zugabe spielt sie, nur von der Keyboarderin begleitet, die schöne Ballade „Two Slow Dancers“. Danach bedankt sie sich sichtlich gerührt beim Publikum, der Jubel treibt ihr Tränen in die Augen und man findet es fast schade, dass sie nun doch aus der Rolle fällt. Andererseits: Wer sagt denn, dass die tränenreiche Zugabe nicht der geplante Abschluss einer perfekten Performance war?

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