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Bremen zieht die Tibet-Flaggen ein

Es ist still geworden um Tibet in der deutschen Öffentlichkeit. Wegen der wirtschaftlichen Abhängigkeit von China sei die Politik vorsichtig geworden , sagt der Aktivist Holm Triesch. Er ist das letzte Mitglied der Tibet-Initiative in Bremen

Von Lukas Scharfenberger

Die rote, runde Tonne dreht sich langsam um sich selbst, dann ertönt ein Glockenschlag. Holm Triesch gibt noch mal kräftig Anschwung und schlägt wieder die Glocke. Die Tonne ist eine tibetische Gebetsmühle, gefüllt mit buddhistischen Segenswünschen, sogenannten Mantras. Die Tibeter glauben, dass bei jeder Umdrehung der Mühle die Mantras in den Himmel geschickt werden. Jedes Mal kündigt das der Glockenschlag an.

Triesch setzt sich schon lange für Tibet ein. Mittlerweile ist er allerdings das letzte Mitglied der Tibet-Initiative Bremen und bezeichnet sich selbst nur noch als eine Kontaktstelle des Bundesverbandes. „Wir haben leider nur minimale Erfolge, das kostet nach zwanzig Jahren auch einfach Kraft“, sagt er, während er durch die Botanika Bremen geht.

Im Jahr 1950 fielen chinesische Truppen in Tibet ein und besetzten das Land im Himalaya. Nach einem Aufstand der Tibeter am 10. März 1959 brachen die Chinesen ihre anfänglichen Versprechungen, die Kultur der Tibeter zu schützen. Es wurden Klöster zerstört und das Mönchstum verboten. Auch wenn die Mönche mittlerweile wieder erlaubt sind, wirft die Tibet-Initiative Deutschland China bis heute Missachtung der Menschenrechte vor und setzt sich für den Erhalt der tibetischen Kultur ein.

Triesch glaubt nicht mehr daran, dass Tibet irgendwann frei sein wird. Als eine Kapitulation will er das aber nicht verstanden wissen: „Wenn ich resigniert hätte, wäre ich ausgetreten. Ich habe einfach die Realität akzeptiert.“ Mittlerweile setzt er sich für den Erhalt der tibetischen Kultur ein und fordert weitestgehende Autonomie für die tibetische Bevölkerung.

Seit 2017 steht in der Botanika Bremen ein großer, goldener Friedensbuddha. Die Idee geht auf den Dalai Lama zurück, der auf jedem Kontinent eine Buddhastatue als Zeichen des Friedens aufstellen lassen will. Bisher gibt es allerdings nur in Neu Delhi und in Bremen einen solchen Friedensbuddha. An dem Prozess, die Statue bis nach Deutschland zu bringen, hat Triesch entscheidend mitgewirkt.

Und auch politisch hat er in Bremen auf Tibet aufmerksam gemacht. Als er noch Mitarbeiter bei der Finanzsenatorin und Zweiten Bürgermeisterin Caroline Linnert (Grüne) war, hat er diese auf eine Aktion der Tibet-Initiative Deutschland aufmerksam gemacht: Jedes Jahr zum Jahrestag des Aufstandes der Tibeter am 10. März fordert die Initiative Gemeinden und Städte dazu auf, die Tibet-Flagge als Zeichen der Solidarität zu hissen.

Seitdem wehte jedes Jahr die Tibet- Flagge über dem Amtssitz von Linnert. „Das dürfen wir zwar nicht, aber ich finde es richtig, auf Tibet aufmerksam zu machen“, sagt Linnert, die im neuen Bremer Senat nicht mehr dabei ist. Dass Tibet immer weniger Aufmerksamkeit bekommt, sieht sie auch so, aber „so etwas kommt auch in Wellen wieder hoch“, sagt sie.

Die Bürgermeister Bremens fragt Holm Triesch schon gar nicht mehr, ob sie die Tibet-Flagge über dem Rathaus hissen würden. Jeder habe bisher abgelehnt.

Der Protest ist tatsächlich schwächer geworden: Noch vor wenigen Jahren hatten alle Ortsämter außer Huchting die Flagge Tibets gehisst, mittlerweile beteiligt sich nur noch das Orts­amt Osterholz an der Aktion. Triesch berichtet, eine Mitarbeiterin eines der abgesprungenen Ortsämter habe ihm gesagt, dass man in dem Konflikt neutral bleiben wolle.

Holm Triesch kritisiert nicht nur die geringe Aufmerksamkeit, sondern auch die fehlende Bereitschaft, China zu konfrontieren. Die Bürgermeister Bremens fragt er schon gar nicht mehr, ob sie die Flagge über dem Rathaus hissen würden. Jeder habe bisher abgelehnt. Den Glauben daran, dass westliche Politik etwas in China ändert, hat er verloren: „Es gibt zwar schöne Resolutionen aus dem Bundestag und dem Europaparlament, aber wirklich was bringen tun die auch nicht.“

Triesch findet es ernüchternd, immer wieder mit der wirtschaftlichen Abhängigkeit von China konfrontiert zu werden. Ein Beispiel dafür ist die Stadt Hamburg: Dort wird die Tibet-Flagge überhaupt nicht gehisst. Axel Grafmanns, der Geschäftsführer der Tibet-Initiative Deutschland, sagt, dass Politiker in Hamburg zurückhaltender seien als in Bremen, da der Hafen eine wichtige Rolle für den deutsch-chinesischen Handel spiele und Hamburg insofern mehr vom Wohlwollen der Chinesen abhänge als Bremen.

Das ist natürlich nur eine Vermutung, aber dass China auch mit europäischen Kritikern rigoros umgeht, ist schon länger bekannt: Die ehemalige Bremer Europaabgeordnete der Grünen, Helga Trüpel sagte 2008 der taz, zwei Mitarbeiter der chinesischen Botschaft hätten ihr gedroht. Trüpel hatte sich im Europaparlament für einen Boykott der Eröffnungsfeier der olympischen Spiele in Peking ausgesprochen. Die Mitarbeiter der Botschaft hätten ihr daraufhin geraten, solche Kritik zu unterlassen, da dies das Verhältnis zur Volksrepublik schwer belasten könne.

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