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Intendant darf nicht einreisen

Er wollte an einem Theaterfestival in der westtürkischen Metropole Izmir teilnehmen. Doch der Hamburger Intendant Mahmut Canbay wurde am Flughafen festgenommen und stundenlang verhört

„Sie zeigten mir einen Zettel vom Innenminister und sagten mir, ich stünde unter Terrorverdacht“

Mahmut Canbay, Intendant des Mut!-Theaters

Von Carlotta Kurth

Der Intendant des Mut!-Theaters im Schanzenviertel, Mahmut Canbay, ist am Donnerstag am Flughafen der westtürkischen Stadt Izmir festgenommen und acht Stunden lang verhört worden. Jedes Jahr reist er gemeinsam mit einer Jugendgruppe in die türkische Millionenstadt zum internationalen Theateraustausch – und bisher habe er nie Probleme bei der Einreise in die Türkei gehabt, sagte Canbay im Gespräch mit der taz. Erst vergangene Woche sei er in Istanbul gewesen und habe am Flughafen keine Probleme gehabt. Dieses Mal wurde er aber bei der Passkontrolle gestoppt.

Nach eigenen Angaben wurde Canbay am Flughafen in Izmir von 15 bis 22.30 Uhr ausgefragt und sein Handy wurde durchsucht. Ein Anwalt sei ihm verweigert worden. „Sie fragten mich, auf welcher Seite ich bezüglich des Syrienkriegs stehe. Sie zeigten mir einen Zettel vom Innenminister und sagten mir, ich stünde unter Terrorverdacht“, sagt Canbay. Die Sicherheitsleute hätten ihm erklärt, so schilderte Canbay, dass sie mit ihm als Terrorverdächtigen alles machen dürften.

Auf seinem Handy hätten die Beamten Karikaturen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan in Whatsapp-Chatverläufen gefunden, gesendet von anderen Kontakten. „Sie haben das als Beleidigung Erdoğans empfunden und fragten mich, warum ich die Karikaturen nicht gelöscht habe.“ Als Terrorpropaganda wurde laut Canbay außerdem eingestuft, dass er den Dokumentarfilm „Hêvî“ über Menschenrechtsverletzungen an kurdischen Frauen in seinem Theater gezeigt hatte.

Noch am selben Abend wurde der Theaterintendant, der vor 30 Jahren aus der Türkei nach Deutschland floh, wie er erzählt, in ein Flugzeug nach Köln-Bonn gesetzt und zurückgeschickt, inklusive Einreiseverbot für die Türkei. Seinen deutschen Pass habe er erst am Flughafen in Deutschland zurückbekommen, sagt Canbay.

„Mahmut Canbay engagiert sich für den interkulturellen Austausch und leistet mit seinem Mut!-Theater hervorragende Arbeit“, sagte Hamburger Kultursenator Carsten Brosda (SPD). „Seine Festnahme bei der Einreise in die Türkei ist inakzeptabel und zeigt erneut: Für die Freiheit der Kunst und der Meinungsäußerung müssen wir einstehen.“

Für Cansu Özdemir, Fraktionschefin der Linken, ist es nichts Neues, dass HamburgerInnen an den Flughäfen in der Türkei festgenommen werden. Sie erhalte regelmäßig Anfragen von türkisch-stämmigen HamburgerInnen, die wissen wollten, ob es sicher sei, in die Türkei zu reisen. „Das zeigt für mich, dass Erdoğans langer Arm wirklich bis nach Hamburg reicht“, sagt Özdemir. „Dass die Menschen hier beobachtet werden und mit solchen Aktionen versucht wird, sie einzuschüchtern.“ Ein simples Teilen von politischen Inhalten auf Facebook könne schon reichen, um festgehalten zu werden. Einzuschätzen, was genau passieren kann, vermag Özdemir aber nicht.

Kritik übt sie an Bürgermeister Peter Tschen­tscher (SPD), der sich noch nie zu diesen Fällen geäußert habe und sich deshalb nicht vor seine BürgerInnen gestellt habe: „Das bedeutet ja eigentlich, er sendet die Botschaft aus, dass die Hamburger und Hamburgerinnen, die eine kritische Meinung zur AKP haben, verfolgt werden dürfen.“

Auf Anfrage an Senatssprecher Marcel Schweitzer, ob Tschentscher sich nun im Fall von Mahmut Canbay zu der Situation äußern würde, sagt er, dass keine konkreten Informationen vorlägen und er deshalb dazu nichts sagen könne.

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