Pressefreiheit in Brasilien bedroht: Greenwald unter Druck

Brasiliens Präsident Bolsonaro droht einem bekannten US-Journalisten mit Haft. Denn dieser enthüllte eine mögliche Verschwörung gegen Ex-Präsident Lula.

Ein Mann, Glenn Greenwald

Hat den brasilianischen Präsidenten gegen sich: Glenn Greenwald bei einer Pressekonferenz Foto: ap

BUENOS AIRES taz | Brasiliens rechtsextremer Präsident Jair Bolsonaro hat Glenn Greenwald mit Knast gedroht. Möglicherweise sei das „Kittchen“ (cana) der angemessene Platz für den in Brasilien lebenden US-Journalisten, so Bolsonaro. Dass er ihn nicht einfach abschieben könne, bedauerte der Präsident: „Er (Greenwald) ist mit einem anderen Mann verheiratet und hat in Brasilien Jungs adoptiert. Betrüger, Betrüger, um ein solches Problem zu vermeiden, heiratet er einen anderen Betrüger und adoptiert ein Kind in Brasilien.“

Seit Anfang Juni hat Bolsonaro den Journalisten im Visier. Damals begann die von Greenwald mitgegründete Enthüllungsplattform The Intercept mit der Veröffentlichung von Mitschnitten aus Chats und E-Mails zwischen dem Bundesrichter Sérgio Moro und dem Leiter der Staatsanwaltschaft in Curitiba, Deltan Dallagnol. Die von The Intercept eingestellten Dokumente belegen verbotene Absprachen zwischen Moro und Dallagnol.

Und, dass die Ermittlungen gegen den früheren Präsidenten Lula da Silva (2003–2011) das Ziel hatten, dessen Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl 2018 zu verhindern. Aus den bisher veröffentlichten Mitschnitten geht unter anderem hervor, dass Moro der Staatsanwaltschaft Instruktionen zur Beeinflussung von Zeugen erteilte, deren Aussagen wesentlich mit zur Verurteilung Lulas beitrugen. Bereits seit April 2018 sitzt der populäre ­Ex-Präsident in Curutiba im Knast.

Nach seinem Wahlsieg hatte Bolsonaro, für viele überraschend, Sérgio Moro zum Justizminister ernannt. Doch seit die verbotene Absprachen zwischen Moro und Dallagnol bekannt sind, wundert sich niemand mehr. Und seither vergeht keine Woche in der The Intercept nicht neue Dokumente online stellt.

Glenn Greenwald

„Ich werde nicht aus diesem Land fliehen“

Angaben darüber, wer der Plattform das Material zukommen ließ, werden von Greenwald stets abgelehnt. „Die investigativen Journalisten tun, was sie immer getan haben: eine freie Presse gegen die Angriffe einer autoritären Regierung zu verteidigen“, sagte Greenwald am Dienstag auf einer Solidaritätsveranstaltung des brasilianischen Presseverbands ABI.

Dort war er mit seinem Ehemann erschienen, mit dem er seit 15 Jahren verheiratet ist, sowie den beiden Adoptivkindern. Greenwald war 2013 bekannt geworden, als er, damals noch für den britischen Guardian, gemeinsam mit anderen Journalisten Berichte des ehemaligen Mitarbeiters des US-Geheimdienstes NSA, Edward Snowden, veröffentlichte. Auch stellte Greenwald am Dienstag klar, dass er sich nicht von Präsident Jair Bolsonaro einschüchtern lassen werde: „Ich werde nicht aus diesem Land fliehen“, meinte er.

Statt den kompromittierten Justizminister zu entlassen, liefen die Ermittlungen nach den undichten Stellen im Justizapparat auf Hochtouren und führten am Dienstag vergangener Woche zur Festnahme von vier mutmaßlichen Hackern. Einer von ihnen ist Walter Delgatti Neto. Das Protokoll seiner auffallend umfassenden Aussage gegenüber der Bundespolizei wurde von GloboNews veröffentlicht, dem Nachrichtenkanal jenes brasilianischen Mediengiganten Globo, der sich publizistisch mit am Schärfsten gegen eine Kandidatur Lulas einsetzte.

Ausführlich schildert der mutmaßliche Hacker, wen er wann anzapfte und, wie er Kontakt mit Greenwald aufgenommen habe. Bolsonaros Attacke hat auch die Interamerikanische Menschenrechtskommission auf den Plan gerufen. „Leider scheint der brasilianische Präsident die Verfassung seines Landes und die internationalen Verträge über die Meinungsfreiheit, die Brasilien unterzeichnet hat, vergessen zu haben“, kommentierte dessen Sonderberichterstatter für Meinungsfreiheit, Edson Lanza. Man werde die Entwicklung weiter beobachten, so der Sonderberichterstatter der zur Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) gehörigen Kommission.

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