USA nimmt Hisbollah-Abgeordnete ins Visier

Wachsender Druck auf Berlin, die Hisbollah zu verbieten. Noch unterscheidet man zwischen dem politischen und dem militärischen Flügel

Es war ein qualitativ neuer Schritt, zu dem sich Washington im Juli entschied: Erstmals verhängten die USA Sanktionen gegen demokratisch gewählte Parlamentarier im Libanon. Nun stehen zwei Abgeordnete der Hisbollah, Mohammed Hassan Raad und Amin Scherri, auf der Terrorliste des US-Finanzministeriums. Die beiden seien „zentrale Figuren“ in der Organisation, hieß es. Die Hisbollah benutze sie, um die Institutionen des Landes zu „manipulieren“ und den Iran zu „stützen“.

Auch Wafik Safa,ein hochrangiger Sicherheitsvertreter der Hisbollah, wurde auf die Liste gesetzt. Damit geht Washington in seiner Sanktionspolitik gegen den Iran und dessen Stellvertreter im Libanon weiter als bisher. Die USA listen die Hisbollah – anders als die EU und Deutschland – als „Terrororganisation“. Die nun verhängten individuellen Strafmaßnahmen gegen die Abgeordneten erhöhen den Druck auf die Bundesregierung, ihrerseits tätig zu werden und die Hisbollah auch in Deutschland nach Paragraf 129b des Strafgesetzbuchs zu einer terroristischen Vereinigung zu erklären.

In Berlin allerdings weist bislang nichts auf ein Umdenken hin. Die Bundesregierung hält an ihrer umstrittenen Differenzierung zwischen einem politischen und einem militärischen Flügel der Hisbollah fest. Auf Anfrage der taz heißt es im Auswärtigen Amt: „Terroristische Aktivitäten sind für die Bundesregierung und für die EU unter keinen Umständen akzeptabel.“ Die Hisbollah sei jedoch „zugleich ein relevanter gesellschaftlicher Faktor und ein Teil der komplexen innenpolitischen Lage im Libanon“. Sie ist im Parlament vertreten und Teil der Regierung.

Bei den letzten Parlamentswahlen 2018 war die Hisbollah mit 13 von insgesamt 128 Abgeordneten ins Parlament eingezogen. In Deutschland bleibt sie legal. So können zum Beispiel Spenden für die Hisbollah gesammelt werden, solange die Gelder – zumindest offiziell – nicht für militärische Zwecke vorgesehen sind. Die knapp 1.000 Hisbollah-Mitglieder in Deutschland, die den Sicherheitsbehörden bekannt sind, müssen keine Strafverfolgung fürchten.

„Ein relevanter gesellschaftlicher Faktor“

Allerdings beobachtet der Verfassungsschutz die Hisbollah. Die schiitisch-islamistische Hisbollah, so schreibt die Behörde, stelle „das Existenzrecht des Staates Israel offen infrage und ruft zu dessen gewaltsamer Beseitigung auf“.

Mit ihrem Festhalten an einer Differenzierung zwischen politischem und militärischem Flügel der Hisbollah trotzt Berlin den immer lauter werdenden Forderungen aus den USA und Israel, die Hisbollah komplett zu verbieten. So erklärte US-Außenminister Michael Pompeo nach einem Treffen mit Außenminister Heiko Maas (SPD) im Mai: „Wir hoffen auf Deutschlands Hilfe dabei, die Hisbollah als eine Einheit zu betrachten und sie aus Deutschland zu verbannen.“ Auch jüdische Verbände in Deutschland sowie die FDP und die AfD drängen auf ein Verbot.

Großbritannien gab im März dem wachsenden Druck nach und stellte die Hisbollah mit dem Argument, man könne nicht mehr zwischen unterschiedlichen Flügeln unterscheiden, komplett unter Verbot. Dass die Bundesregierung zögert, hat aber Gründe: Nicht nur würde sich Berlin direkte Gesprächskanäle zur Regierung in Beirut verbauen, etwa zum für die deutsche Entwicklungszusammenarbeit wichtigen Gesundheitsministerium. Auch ist Deutschland ein wichtiger Makler, wenn es darum geht, in Krisensituationen wie Grenzvorfällen oder Geiselnahmen zwischen der Hisbollah und Israel zu vermitteln. Die deutsche Botschaft in Beirut unterhält Kontakt zur Hisbollah. Medienberichten zufolge sind auch Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes immer wieder zur Hisbollah gereist.