: Das Billigste, was geht
Lars K. ist alleinerziehender Vater von drei Kindern. Große Sprünge sind im Urlaub nicht drin. Aber dem Mittvierziger reicht sowieso Campen am See
Protokoll Anna Klöpper
Ich bin seit acht Jahren alleinerziehend in Teilzeit. Das heißt, meine Kinder sind fast zur Hälfte bei mir und etwas öfter bei der Mutter. Ich arbeite in der IT-Branche und da beinahe in Vollzeit – doch das reicht nicht, um neben den Unterhaltszahlungen auch noch Miete und Lebenshaltungskosten zu bestreiten. Ich muss deshalb aufstocken, das Jobcenter zahlt mir rund 300 Euro pro Monat.
Früher, vor meiner Trennung, sind wir häufig nach Schweden gefahren. Das würde jetzt definitiv mein Budget übersteigen. Seit ich alleinerziehend bin, fahre ich stattdessen jeden Sommer mit den Kindern campen. Immer auf einen anderen Campingplatz, der Abwechslung wegen. Bisher waren wir jedes Mal in Norddeutschland unterwegs, häufig auch rund um Berlin. Die Feldberger Seenlandschaft in Mecklenburg-Vorpommern gefällt uns sehr, da fahre ich diesen Sommer deshalb ausnahmsweise zum zweiten Mal auf denselben Campingplatz.
Wobei: Selbst wenn wir in der Region campen, urlaube ich damit eigentlich über meine Verhältnisse. Wenn wir auch mal einen Tag ein Kajak ausleihen und Pommes essen – da ist man schnell mit 700, 800 Euro dabei für zwei Wochen für uns drei. Für die Euros, die fehlen, muss ich mir etwas einfallen lassen, meinen Dispo belasten, Verwandte fragen oder dergleichen. Legal was nebenbei verdienen geht nicht, das würde mir sofort abgezogen.
Dann reicht mir das
Mir persönlich fehlt nichts im Sommerurlaub – wenn ich einen See habe und Ruhe und Zeit zum Entspannen und ein Buch lesen kann, dann reicht mir das. Aber die Kinder vergleichen sich natürlich mit ihren Klassenkameraden. Bisher ging das noch mit dem Campen, aber sie kommen jetzt in die Pubertät, und da wollen sie auch mal etwas anderes – also auch mal in den Urlaub fliegen, wie die anderen. Ich hoffe, dass ich mit meiner Tochter demnächst nach England zu Bekannten fliegen kann. Da würden dann immerhin die Übernachtungskosten wegfallen.
Die ganze Klimadiskussion übers Fliegen, die die „Fridays for Future“-Bewegung angestoßen hat, nehme ich schon auch ein Stück weit als Luxusdiskussion wahr. Zum Beispiel bin ich demnächst zu einer Hochzeit in Ungarn eingeladen. Da mit dem Auto hinzufahren ist für mich schlicht nicht möglich. Wenn ich da hinwill, dann bleibt mir nur der Billigflieger. Und auch das wird knapp – wahrscheinlich wird es nicht gehen. Aufs Jobcenter angewiesen sein und ökologisch korrekte Fernreisen planen, das kann man ganz einfach vergessen. Man nimmt das Billigste, was geht, das ist so. Aber gut, das gilt auch für andere Bereiche, wie den Einkauf im Bioladen.
Für die Kinder wäre es natürlich langsam wichtig, auch mal ins Ausland zu kommen. Vielleicht klappt ein Schüleraustausch, da werden wir mal sehen. Mich selbst stört es nicht, dass ich nicht die Freiheit habe, da hinzufahren, wohin ich will. Aber es ist schon so, dass einen diese Bedürftigkeit nerven kann, die man durch das Jobcenter erfährt. Wenn ich keine Schulden machen will, kann ich nirgendwohin.
Klar könnte ich sagen: Ich bleibe mit den Kindern in Berlin. Aber sie sollen ja als Großstadtkinder auch mal in einen See springen, durch den Wald laufen, die Natur wahrnehmen können: Selbst hier im Umland, da können sie ja tolle Dinge machen. Da können sie Tiere entdecken, Schlangen zum Beispiel, oder sie lernen Kanu fahren. Das ist wichtig. Da reicht der Plötzensee nicht, an dem dann auch noch Millionen von anderen Berlinern rumliegen.
Einen der schönsten Urlaube hatten wir mal am Schmalen Luzin in Mecklenburg. Der See hat herrliches smaragdgrünes Wasser, und es gab einen Baum, wo die Kinder immer raufgeklettert sind und dann runter ins Wasser springen konnten. Das hatte schon was von Blaue-Lagune-Feeling!
Lars K. heißt eigentlich anders. Er ist Mitte 40, arbeitet in der IT-Branche und ist in Teilzeit alleinerziehender Vater von drei Kindern im Teenageralter.
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