Regierungsbildung in Spanien: Gelingt die historische Koalition?

Seit den 1930ern war in Madrid keine Partei links der Sozialisten mehr an einer Regierung beteiligt. Doch Premier Sánchez ist auf Podemos angewiesen.

Pedro Sanchez, ein schlanker Mann mit kurzen Haaren

Sanchez will einiges ändern. Ob er die Macht dazu bekommen wird, ist nicht sicher Foto: reuters

MADRID taz | „Veränderungen, um voranzuschreiten“, heißt das Motto, unter das der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez seine Rede zur Wiederwahl vor dem Parlament stellte. Der 47-jährige Sozialist stellte am Montag ein Regierungsprogramm vor, das unter anderem mehr Rechte für prekäre Arbeitnehmer, mehr Gleichheit für Frauen, mehr Einkünfte für Rentner, eine entschlossene Umwelt- und Klimapolitik sowie eine Energiewende verspricht.

Das Ganze hat nur einen Haken: Sánchez will sich am Dienstag im Amt bestätigen lassen, die dafür erforderlichen Stimmen im Parlament hat er aber noch nicht zusammen. Sánchez’ Sozialistische Arbeiterpartei (PSOE) war Ende April als stärkste Kraft aus den vorgezogenen Neuwahlen hervorgegangen, hatte die absolute Mehrheit aber deutlich verpasst.

Während der Ministerpräsident redete, tagte hinter verschlossenen Türen eine Delegation seiner PSOE mit den linksalternativen Unidas Podemos (UP), um förmlich in der Nachspielzeit einen Koalitionsvertrag auszuhandeln.

Pablo Iglesias, Unidas Podemos

„Ich werde nicht die Ausrede für die PSOE sein“

Die Sozialisten brauchen einen Bündnispartner, denn die PSOE verfügt nur über 123 der 350 Abgeordneten im spanischen Parlament. Da die rechtsliberalen Ciudadanos (Cs) eine Unterstützung von Sánchez strikt ablehnen, bleibt nur UP. Und mit denen wollte Sánchez bis zum Schluss keine Koalition. Er sprach von einer „rein sozialistischen Regierung“ die mit UP ein Programm aushandeln, aber keine UP-Minister aufnehmen sollte. UP-Chef Pablo Iglesias hingegen bestand auf eine Koalitionsregierung, in deren Kabinett er zunächst selbst sitzen wollte.

Rücktritt mit Forderungen

Alles sah nach Blockade und Neuwahlen im November aus – bis am Freitag Iglesias überraschend darauf verzichtete, im Kabinett vertreten zu sein. „Spanien braucht eine linke Koalitionsregierung, die soziale Rechte zum zentralen Anliegen der Regierung macht. Die PSOE sagt, dass ich das einzige Hindernis bin, das eine solche Regierung verhindert. Ich werde nicht die Ausrede dafür sein, dass die PSOE eine solche Koalitionsregierung ablehnt“, erklärte Iglesias in einem in sozialen Netzwerken veröffentlichten Video.

Allerdings kündigte er auch an, keine weiteren Vetos akzeptieren zu wollen. Iglesias verlangte eine Koalition, die entsprechend der Wählerstimmen besetzt ist. Das wären fünf UP-MinisterInnen im neuen Kabinett.

Mit den 42 Abgeordneten von UP und dem Vertreter einer kleinen Regionalpartei aus dem nordwestspanischen Kantabrien hätte Sánchez dann 166 Stimmen auf seiner Seite. Zwar reicht das im ersten Wahlgang am Dienstag nicht für die absolute Mehrheit.

Im zweiten Wahlgang 48 Stunden später reicht aber die relative Mehrheit, und die hätte er, vorausgesetzt, baskische und katalanische Regionalparteien enthalten sich. Die drei rechten Parteien, die konservative Partido Popular (PP), die rechtsliberalen Cs und die rechtsrextreme Vox kommen zusammen nur auf 150 Nein-Stimmen gegen eine künftige Linksregierung.

UP und PSOE uneins in Katalonien-Frage

Vor allem die Katalanen erhoffen sich von einer Linksregierung einen Dialog über ein Unabhängigkeitsreferendum nach schottischem Vorbild. Solche Bestrebungen gingen „gegen die Geschichte“, beteuerte Sánchez jedoch einmal mehr. UP befürwortet ein solches Referendum.

Bei den meisten Programmpunkten, die Sánchez in seiner Rede vorstellte, dürfte zwischen PSOE und UP aber Einigkeit herrschen. Die beiden Parteien verabschiedeten bereits vor den Neuwahlen im Mai ein gemeinsames soziales Regierungsprogramm. Es ging damals darum, zusammen einen Haushalt zu verabschieden. Dieser erhielt letztendlich nicht die Mehrheit im Parlament, da die katalanischen Parteien mit „Nein“ stimmten. Der Urnengang vom April wurde unumgänglich.

Was bei Redaktionsschluss die Gemüter hinter den Kulissen erhitzte, waren wohl die Zahl und Namen der UP-Mitglieder, die künftig im Kabinett vertreten sein werden. Doch niemand zweifelt mehr ernsthaft daran, dass sich die beiden Parteien spätestens bis zur zweiten Abstimmung am Donnerstag einigen werden. Sánchez würde damit Geschichte schreiben. Es wäre seit der Zweiten Spanischen Republik in den 1930er Jahren die erste Regierung, an der eine Partei links der Sozialisten vertreten ist.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.