: Abgespeckt im Fluss
STADTTEIL In diesem Jahr heißt das Viertelfest „statt!Viertelfest“ und beschränkt sich auf einen Tag. Trotzdem gibt es viel Kultur zwischen Goetheplatz und Sankt-Jürgen-Straße
VON LUCY M. LAUBE
Nur ein Tag statt drei, nur von 11 bis 19 Uhr statt bis in die Puppen – Familiensonntag und Nachbarschaftsfest statt banales Stadtfest mit Saufgelage. Das Viertelfest hatte sich in den letzten Jahren wegen zu vieler Besucher im Gedränge selbst verloren. Das diesjährige Konzept muss aber nicht bleiben. Viertelbürgermeister Robert Bücking will sich vielmehr gemeinsam mit den Veranstaltern, Bewohnern und Geschäftsleuten im Stadtteil Zeit nehmen für die Frage, wie sich das Viertel in der Stadt und in der Region präsentieren möchte. Kultur gibt es aber auch diesmal reichlich, verteilt über Ostertor und Steintor, denn, so Organisatorin Iris Raschke, beim Viertelfest soll „alles im Fluss“ bleiben.
Das Programm konzentriert sich an sechs zentralen Orten: Auf dem Goetheplatz wird gleich morgens ab 11 Uhr gebastelt, gedruckt, gemalt – alles mit dem Fokus Klimaschutz, Recycling, Nachhaltigkeit. Individuelle Jutebeutel, Geldbörsen aus Tetra-Paks können gefertigt, eine riesige Rolle Zeitungspapier bemalt werden. Wer danach noch kreative Energie übrig hat, kann am Graffiti-Workshop für Kinder und Jugendliche von Viva con Agua teilnehmen. Alle anderen entspannen sich in „postmoderner Kaffeehaus-Atmosphäre“ bei der Chill-out-Lounge mit den DJs AJ und Tommy Schiwago – oder lassen sich weitertreiben, den Ostertorsteinweg entlang zur Bühne vorm Litfass. In einer Nonstop-Performance-Installation lassen Club de la Faye aus Dänemark und Hijas del Mal aus Argentinien die Grenzen der Realität verschwimmen und nehmen die Zuschauer mit auf eine Reise, die dem Zustand des Halbschlafs ähnelt. Ab 13.15 Uhr spielt Katrine Ottosen alias Call Me Kat auf dem Ulrichsplatz: eine in den dänischen Wäldern mit einem abgeratzten Klavier aufgewachsene Vintage-Liebhaberin, die analoge und digitale melancholische Klänge zu einem „hypnotisierenden Sepia-Trip“ verbindet.
Beim Kubus Ecke Fehrfeld beginnt der Tag literarisch mit vier AutorInnen des Bremer Literaturkontors, die aus ihren Werken lesen: Wolfgang Steinkamp, Jens Laloire, Laura Beck und Olivia Douglas. Das Repertoire reicht von Kurzgeschichten über Poesie bis hin zu Romanauszügen und französischen Chansons. „Ab Donnerstagnacht gehört das Viertel den Anderen“, heißt es bei Laura Beck. Auf dem Platz vor der Sparkasse beschließt ab 18.15 Uhr die „Mailänder Sonne“ Missin-Cat den Tag. Die aus Italien stammende Singer/Songwriterin, die als Support mit Amy Winehouse auf Deutschlandtournee war, hat in Berlin eine neue kreative Heimat gefunden. Beim Kinderflohmarkt auf dem Ziegenmarkt gibt es wohl keine Kinder, aber Sachen von und für Kinder zu kaufen.
Auf dem Horner Platz winken Kaffee und Kuchen – genauer: Käsekuchen. In Anlehnung und als leicht fragwürdige Hommage an unsere niederländischen Nachbarn, die den diesjährigen Länderschwerpunkt bilden, können unter dem Motto „Alles Käse“ Käsekuchen ins Rennen geschickt werden. Der Preis für den besten Kuchen: eine Wochenendreise nach Groningen. Ab 14 Uhr erkunden Waldameisen, die auch schon bei La Strada gesichtet wurden, das Viertel und naschen sicherlich auch am Käsekuchen. Auch das Maskentheater Trottellumme ist unterwegs und bringt die Skurrilitäten des Lebens zum Ausdruck – „Entzücken, verzaubern und verblüffen“, lautet das Motto.
Wer sich trotz des prallen Programms noch dem Konsum hingeben möchte, hat auch dazu Gelegenheit: Von 13 bis 18 Uhr sind die Geschäfte im Viertel offen. Ganz auf den Sonntag beschränkt sich das „statt!Viertelfest“ aber doch nicht: Am Vorabend um 20 Uhr spielt als Auftakt Guro von Germeten bei freiem Eintritt im Litfass. Die norwegische Künstlerin mit Akkordeon, angekündigt als weibliches Pendant zu Tom Waits, singt über die Liebe, guten Wein, verführerische Matrosen und wilde Küsse mit Zirkusclowns.
■ Sonntag, 11–19 Uhr, Ostertorsteinweg und Vor dem Steintor
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