: Dosenhund in Klebekutte
In Itzehoe wirft das Kreismuseum einen Blick aufs bekannteste Kulturevent in der Gegend: Eine Ausstellung zeigt Fotos und Devotionalien aus 30 Jahren Wacken-Open-Air
Von Esther Geißlinger
Vier Bierdosen als Beine, eine als Kopf, eine Chipsverpackung als Körper, alles mit grauem Tape zusammengetüdelt, fertig ist „Sloty“, der Dosenhund. „Ist auch praktisch“, sagt Jackelin Ehmcke, seine Erbauerin, und zupft den Deckel der Chipspackung ab. „Man kann was reinstecken.“
Sloty, der Hund, steht zwar noch nicht in der Ausstellung „30 Jahre Wacken Open Air“ (WOA), die ab dem morgigen Sonntag im Kreismuseum Itzehoe zu sehen ist, aber immerhin rund 300 Gegenstände hat Kuratorin Vivian Vierkant gesammelt und ausgestellt, die die Geschichte des Festivals von seinen bescheidenen Anfängen 1990 bis zum heutigen Mega-Event mit rund 200 Bands und 80.000 Gästen beleuchtet – von der Kutte bis zur Fliegenklatsche.
„Gute Musik hören, Bierchen trinken, nette Leute treffen – der geilste Urlaub, den man sich vorstellen kann“, sagt Oliver Ehrngruber beim Pressetermin zur Ausstellung. Der 24-jährige Metallbau-Lehrling gehört wie die gleichaltrige Ehmcke zu den Fans des Festivals. Seit 2011 ist er alljährlich mit dabei und freut sich dieses Jahr auf die britische Band „Girlschool“.
In Wacken sei der Frauenanteil verhältnismäßig hoch, sowohl vor wie auf den Bühnen, sagt dann Gunnar Sauermann, Pressesprecher des Veranstalters ICS Festival Service GmbH. Dennoch solle mehr Frauenförderung betrieben werden – wie, ist allerdings noch unklar.
Sauermann kam ab 1997 zuerst als Fan, dann als Journalist zum Festival, seit diesem Jahr ist er hauptamtlich als Sprecher dabei – ein Zeichen, wie professionell das Musikfest mit dem Schädel-Logo geworden ist.
Die Ausstellung erinnert mit Schautafeln in Deutsch und Englisch an die Anfänge: 800 Gäste lauschten den Auftritten lokaler Bands, zwischen den Auftritten klaffte eine stundenlange Pause, weil Thomas Jensen, einer der Mitbegründer und bis heute mit Holger Hübner am Festival beteiligt, zwischendurch Getränke verkaufte.
„Ich kam damals vorbei, als er hinterher die Bierdosen vom Acker harkte“, erinnert sich Edwin Holmer, stellvertretender Bürgermeister in Wacken und schon 1990 im Gemeinderat. Die örtliche Politik hat das Festival immer sehr wohlwollend begleitet: „Das waren Wackener Jungs, die sollten das man machen.“
Was daraus werden sollte, ahnte dabei kein Mensch – auch nicht, wie bekannt das 2.000-Einwohner-Dörfchen durchs Festival werden sollte. Dazu trug der Film „Full Metal Village“ der Filmemacherin Sung-hyung Cho bei, der natürlich am 10. Oktober auch im Museum gezeigt wird.
Die „norddeutsche Gelassenheit“ habe sicher geholfen, dass die DorfbewohnerInnen mit den einfallenden KuttenträgerInnen wenig Probleme haben, meint Holmer. Allerdings sind die Tage vorbei, in denen sie aus dem Vorgarten Getränke verkaufen und Metal-Fans zum Pinkeln aufs Gästeklo lassen. Heute blieben die meist auf dem Gelände, bis auf Touren ins örtliche Freibad, das wegen der Festivalwoche rentabel für die Gemeinde ist. Mehr nerven den Bürgermeister die WackentouristInnen, die kommen, um den Auftrieb anzuschauen. „Saufgruppen“ aus dem Umland, teilweise Reisebusse.
Musikalisch deckt das WOA alle Richtungen des Faster-harder-louder-Genres ab, mit klarer Abgrenzung nach rechts, betont Sauermann: „Rassismus und Hetze kommen nicht auf unsere Bühnen.“ In der Regel gelänge es, Rechtsrock-Bands im Vorfeld auszufiltern. Dafür standen Gäste wie Komiker Otto und Schlagersänger Heino schon auf Wacken-Bühnen.
Stillschweigen herrscht nur bei der Frage, wie viel Geld das Festival in die Ortskassen spült. Auch Unternehmenssprecher Sauermann zuckt die Schultern: „Von Zahlen habe ich keine Ahnung.“ Eine Antwort gibt es dafür auf die Frage, warum der Dosenhund „Sloty“ heißt: nach der Biersorte „Slots“. „So was fällt einem nach ein paar Dosen Bier ein“, sagt Ehrngruber.
Bis 13. 10., Kreismuseum Itzehoe; „Heavy-Mett-Frühstück“ mit Führung: 31. 7. und 4. 8., je 10 Uhr
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