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HöckesHeimspiel

Die AfD läutet den Wahlkampf für die bevorstehenden Landtagswahlen in Ostdeutschland ein. Von einem innerparteilichem Streit wollen die Redner nichts wissen – doch ist der rechtsextreme „Flügel“ in Cottbus stark vertreten

Aus Cottbus Daniel Godeck

Björn Höcke ist zu spät. Seine drei Vorredner sind längst fertig, doch keine Spur vom Thüringer ­AfD-Landes­chef. Zehn Minuten dauere es noch, sagt der Mann auf der Bühne. Um die Zeit zu überbrücken, laufen Schlager von Udo Jürgens. Doch nach zwanzig Minuten ist Höcke noch immer nicht da.

Als er dann irgendwann auftaucht, sehen ihm die Anhänger das nach. „Höcke, Höcke!“, rufen sie und schwingen ihre Deutschlandfahnen. Der Kopf der rechtsextremen Parteiplattform „Flügel“, er wird an diesem Samstagnachmittag so euphorisch empfangen wie kein anderer.

Auf dem Platz vor der Stadthalle in Cottbus: Die AfD hat zum Wahlkampfauftakt für die drei anstehenden Landtagswahlen im Osten geladen. Manches erinnert an diesem warmen Julitag eher an ein Stadtfest. Am einen Ende des Platzes ist eine Bühne aufgebaut, auf der anderen Seite eine Hüpfburg für die Kinder. Bratwurstgeruch durchzieht die Luft. Für die Rechten ist der Auftritt in der Lausitz wie ein Heimspiel. Bei den jüngsten Kommunal- und Europawahlen ist die AfD hier stärkste Kraft geworden.

Am 1. September soll sich das nach dem Willen der Partei wiederholen. Dann wird in Brandenburg ebenso wie in Sachsen ein neuer Landtag gewählt. Acht Wochen später, am 27. Oktober, zieht Thüringen nach. Es sind die Hochburgen der AfD. So könnte sie in den Parlamenten von Potsdam und Dresden erstmals stärkste Kraft werden. In Brandenburg liegt sie zurzeit mit 19 Prozent gleichauf mit der SPD, in Sachsen mit 26 Prozent auf Augenhöhe mit der CDU.

Nachdem ein AfD-Mann bereits fleißig schwarz-rot-goldene Flaggen unter die Menge gebracht hat, geht es los. Der Brandenburger AfD-Spitzenkandidat Andreas Kalbitz eröffnet die Veranstaltung (Motto: „Wende vollenden“) zwar durchaus mit landespolitischen Themen, im Vordergrund stehen aber klassische AfD-Gassenhauer. „Heimat ist ein Menschenrecht“, ruft er den Hunderten Zuhörern zu. Auch Jörg Urban, der Spitzenkandidat in Sachsen, spricht. Parteichef Jörg Meuthen holt weiter aus und nennt etwa Italiens rechtsextremen Innenminister Matteo Salvini einen „wahren Retter des Rechtsstaats.“

Als Letzter spricht Höcke. Wie bei früheren Reden greift er abermals in die Kiste historischer Vergleiche

Als Letzter spricht Höcke. Wie schon bei früheren Reden greift er abermals in die Kiste historischer Vergleiche und setzt die mögliche Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz mit der Unterdrückung der Freiheitsbestrebungen im Deutschen Reich nach den Karlsbader Beschlüssen im 19. Jahrhundert gleich, der sogenannten „Demagogenverfolgung“.

Mit Hohn reagiert er auf die Ankündigung des brandenburgischen Innenministers, wonach der Verfassungsschutz auf die Cottbusser Veranstaltung ein genaues Auge habe. Der johlenden Menge überreicht Höcke eine eigens signierte Sektflasche, die an die anwesenden Geheimdienstler weitergegeben werden solle. „Bei der Dienstbesprechung heute Abend könnt ihr dann die Flasche aufmachen und auf das Wohl der AfD trinken“, ruft er den Anhängern zu. Großes Gelächter.

Der „Flügel“ wird vom Verfassungsschutz bislang als „Verdachtsfall“ geführt. Auch in Cottbus ist die Frage präsent, wie viel Einfluss diese rechtsnationale Parteiströmung haben soll. Immerhin hatte er selbst am vergangenen Wochenende auf dem „Kyffhäuser-Treffen“ der Plattform den AfD-Bundesvorstand scharf angegriffen und angekündigt, nach den Landtagswahlen auf die Neuwahl des Bundesvorstands hinzuwirken. Mehr als 100 Mandatsträger und Funktionäre hatten deshalb am Mittwoch einen Appell veröffentlicht, in dem sie eine „geeinte und starke AfD“ fordern. Und klarstellen: „Die AfD ist und wird keine Björn-Höcke-Partei.“

In Cottbus wollen die anwesenden AfD-Redner von dem Streit nichts wissen. „Wir lassen uns nicht spalten“, sagt Parteichef Meuthen. „Am Ende gewinnen immer wir, und zwar gemeinsam, liebe Freunde!“ Auch Kalbitz, der Höcke bei der Verabschiedung herzlich umarmt, sagt, er sehe keine Spaltung. Höcke ging darauf erst gar nicht ein.

Derweil berichtet der Spiegel von Versuchen, radikale und gemäßigte Strömungen innerhalb der Parteien zusammenzuführen. Dazu soll sich laut Bericht die Fraktionschefin der AfD im Bundestag, Alice Weidel, unter Vermittlung des neurechten Publizisten Götz Kubitschek mehrmals mit Höcke getroffen haben, um einen Pakt zu schließen. Weidel bestätigte derlei Kontakte, von einem Bündnis will sie jedoch nicht sprechen.

Zumindest in Cottbus ist am Ende der Veranstaltung klar, welche der beiden Strömungen hier dominiert. Mit Kalbitz, Urban und Höcke stehen drei „Flügel“-Vertreter auf der Bühne, während Meuthen der Strömung nicht angehört. Zudem spricht Höcke fast eine halbe Stunde − deutlich länger als die Übrigen. Und bekommt dabei auch merklich mehr Applaus. Meuthen selbst hatte Mitte der Woche öffentlich den „Personenkult“ Höckes kritisiert. Wohl auch deshalb ist Meuthen längst weg, als Höcke am Samstag spricht.

Im nahen Puschkinpark haben AfD-Gegner parallel ein Kulturfest mit verschiedenen Musikern organisiert. Alles unter der Parole: „Cottbus bleibt bunt“. Rund um den Platz vor der Stadthalle sind Gebäude mit Regenbogenflaggen behangen. Als Höcke aufbricht, verabschiedet ihn eine kleine Gruppe der Gegenspieler mit kräftigen „Höcke raus!“-Rufen.

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