Laberrhabarber mit Liebe

Seriöses und Sperma: Auf der Insel Lindwerder an der Havel gastierte am Samstag „Auf die Ohren – Das Podcast-Festival“. Mit Charlotte Roche. Und für einen guten Zweck

Ungewöhnliches Festival, ungewöhnliche Gestaltung: „Auf die Ohren – Das Podcast Festival“ Foto: Daniel Pochetti

Von Sophia Zessnik

Wo lässt sich ein Sommertag schöner verbringen als auf einer Insel? Nirgendwo, richtig. Selbst ohne maritimen Anschluss bietet Berlin diese Art Rückzugsort. In diesem Fall Lindwerder an der Havel, wo am Samstag „Auf die Ohren – Das Podcast-Festival“ veranstaltet wurde.

Längst hat es das Format Pod­cast vom Privaten ins Öffentliche geschafft: mit Liveaufzeichnungen, gar ganzen Podcast-Touren versammeln die Damen und Herren hinter den Mikrofonen ihre Jünger um sich. Irgendwie muss ja auch Geld verdient werden mit den Inhalten, die meist kostenlos oder in Verbindung mit einem Abo bei einem Streaminganbieter wie Spotify („Es gibt natürlich auch noch ganz viele andere wie Deezer, Soundcloud, iTunes …“) konsumierbar sind.

Bei „Auf die Ohren“ ist es anders: Das von den Machern des Podcasts „Beste Freundinnen“ ins Leben gerufene und dieses Jahr zum zweiten Mal veranstaltete Festival spendet den Erlös, abzüglich der entstandenen Kosten, an die Tierschutzorganisation Vier Pfoten.

Rund zwanzig Podcast-Macher bespielten auf Lindwerder einen Tag lang drei Bühnen. Dazwischen sorgten DJ-Sets für Festivalatmosphäre. Wer eine Pause brauchte, konnte einer angeleiteten Meditation folgen oder sich beim Stand Up Paddling auf dem Wasser treiben lassen. Für NachwuchspodcasterInnen bestand die Möglichkeit, einen eigenen Audiobeitrag aufzunehmen.

Wie es sich für ein Festival gehört, ist schon auf dem Weg dorthin schnell erkennbar, wessen Ziel die Insel in der Havel sein wird. Weniger ausgefallene Kleidung und Glitzer zwar als bei einem Musikfestival, dennoch fallen die Podcast-Fans auf in der sonst sicher weniger stark frequentierten Buslinie 218. Hier und da ist ein T-Shirt mit der Aufschrift „small tits club“ zu entdecken – das Label der Pod­casterin Ines Anioli vom Duo „Besser als Sex“ setzt sich für eine der liebsten sozialen Bewegungen auf Instagram ein: body positivity. Tragen darf/soll das Shirt jede/r.

Am Einlass geht es zügig voran, fast alle haben sich an das Glasflaschenverbot gehalten. Mit einer kleinen Fähre, an der ein motorisiertes Schlauchboot befestigt ist, das den nötigen Antrieb gibt, wird übergesetzt. Schon hier wird deutlich: Podcast-HörerInnen gibt es in (fast) allen Altersgruppen. Manche scheinen das Festival gar als Anlass zu einem Familienausflug genommen zu haben, inklusive Kleinkindern und Großeltern.

Aber kein Wunder, das Programm ist vielfältig. Neben beliebten Laber-Podcasts wie „Besser als Sex“, „Beste Freundinnen“, „Lästerschwestern“, „Proseccolaune“ und „Schnapsidee“ gibt es heute auch echtes Wissen und Expertise auf die Ohren: Deutschlandfunk Nova mit „Eine Stunde History“, RBB Kultur und der Zeit-Podcast „Verbrechen“ verleihen der sonst häufig etwas klamaukig auftretenden Podcast-Gemeinde einen seriöseren Glanz.

Gesessen wird auf Europaletten und in Liegestühlen oder im verdorrten Gras. Es gibt vegetarische Burger, Nudeln und österreichische Spezialitäten aus dem Alpentruck. Beliebt auch der Vöner – vegetarischer Döner –, für den gut und gern zwei Stunden angestanden werden muss.

Hier und da ist ein T-Shirt mit der Aufschrift „small tits club“ zu entdecken

Die meisten BesucherInnen sind für die „Headliner“ und besten Freundinnen gekommen: Max und Jakob, heißen eigentlich anders und sind seit 2014 im Podcast-Business tätig. Bei ihnen geht es um alles und nichts, viel Laberrhabarber, hier und da chauvinistische Bemerkungen, besonders was Jakobs (ehemalige) Eroberungen betrifft.

Das weibliche Pendant zu den beiden Jungs – denn obwohl beide bereits Kinder haben, wirken sie oft eher wie Teenies als ganz ernst zu nehmende Erwachsene – sind Leila Lowfire und Ines Anioli von „Besser als Sex“. Hier geht es, der Name verrät es bereits, um die schönste Nebensache der Welt. Dass es dabei nicht nur romantisch und leidenschaftlich zugeht, die Sache zuweilen mit Scham, kleineren und größeren Unfällen sowie dem Austausch von einer Menge Körperflüssigkeiten einhergeht, darüber wird sich hier ganz ungeniert ausgelassen. Zwar ist es gewöhnungsbedürftig, im Hellen auf einer Wiese sitzend, einem Gespräch über Sperma zu lauschen – der Blick umher zeigt jedoch, was dieser Podcast schafft: mehr Offenheit für delikate Themen.

Vorreiterin hierfür ist freilich Charlotte Roche, die 2008 mit ihrem Roman „Feuchtgebiete“ für Furore sorgte. Auch sie ist übrigens unlängst ins Podcast-Game eingestiegen, spricht nun wöchentlich mit ihrem Ehemann Martin Keß in „Paardiologie“ über ihre Partnerschaft, Affären, alternative Beziehungsmodelle und Erziehungsmethoden. Als Miss ­Roche plötzlich unangekündigt die Bühne betritt, bei einem Auftritt von „Friedemann & Freunde“, ist die Überraschung im Publikum groß und die Freude noch größer.

„Wie sagst du einem Freund, der ein Kind hat, dass er ein beschissener Vater ist?“, ist nur eine der Fragen, mit denen sie hier 45 Minuten lang die HörerInnenschaft unterhalten. „Mono­gamie ist doch scheiße, wenn sich dann alle betrügen“, folgert Friedemann, Moderator und frischgebackener Autor, und resümiert damit, was ­spätestens seit der Generation Y zum Gesellschaftsproblem avanciert ist und auch den Erfolg des ein oder anderen Pod­casts erklären mag.