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Von „Fuck the Planet“ zur Klimapartei?

Nach spektakulärer Grünwende der Schweizer FDP ziehen sich Wirtschaftsliberale der Partei zurück

Aus Genf Andreas Zumach

Die Schweiz hat am Wochenende eine kleine Revolution erlebt, die die Alpenrepublik vielleicht doch auf einen erfolgreichen Weg zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens bringt. Unter dem Druck der „Fridays for future“-Demonstrationen sowie jüngster Wahlerfolge der grünen und grün-liberalen Parteien gab die an der Berner Regierung (Bundesrat) beteiligte wirtschaftsliberale FDP (Freisinnig-Demokratische Partei) ihre bisherige Blockadehaltung gegen verbindliche Lenkungsmaßnahmen zum Klima- und Umweltschutz auf.

Eine Delegiertenkonferenz der FDP folgte dem Antragspapier von Parteipräsidentin Petra Gössi und beschloss mit großer Mehrheit die verbindliche Festlegung auf das Pariser Klimaziel, den Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) bis 2050 auf netto null zu reduzieren. Zudem forderten die Delegierten, eine CO2-Lenkungsabgabe auf Benzin und Diesel und eine Flugticketabgabe einzuführen. Neubaus von Atomkraftwerken sollen demnach verboten werden.

Derartige, von der FDP bislang als „Staatsdirigismus“, und „wirtschaftsfeindlich“ verteufelten Forderungen schienen bis Kurzem unvorstellbar. Ähnlich wie ihre Namensschwester in Deutschland setzten die Freisinnigen und ihr bisheriger Vizechef Christoph Wasserfallen in der Umwelt-und Klimapolitik bislang ausschließlich auf „freiwillige Maßnahmen“, die „Eigenverantwortung des Einzelnen“. Staatliche Vorgaben lehnte die Partei als „Eingriff in die Freiheitsrechte“ ab.

Im Berner Parlament (Nationalrat) stellt die FDP hinter der rechtspopulistischen Schweizer Volkspartei (SVP) und den Sozialdemokraten die drittstärkste Kraft. Mit der SVP, deren PolitikerInnen den Klimawandel durchweg verharmlosen oder gar leugnen, bescherte die FDP noch im März dem gemeinsamen Antrag auf Einführung einer Flugticketabgabe von Sozialdemokraten, der Christlichen Volkspartei, Grünen und Grünliberalen eine Niederlage.

Auf Plakaten der „Friday for future“-Demonstrationen, die in der Schweiz proportional zur Bevölkerung des Landes bislang mehr TeilnehmerInnen hatten als in Deutschland, wurde die FDP als „Fuck the planet“-Partei tituliert. Eine von Parteipräsidentin Gössi in Auftrag gegebene Mitgliederumfrage ergab aber, dass die bisher von Vizechef Wasserfallen sowie der Fraktion im Parlament vertretene Position von der Parteibasis nicht mehr mitgetragen wird. Vizechef Wasserfallen hat seinen Posten nun aufgegeben. Im Herbst wird sich zeigen, ob die Parlamentsfraktion die Parteibeschlüsse auch umsetzt.

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