: Mutmaßlich ein Müllproblem
In der vietnamesischen Community rumort es: Die Brandursache im Dong-Xuan-Center könnte illegale Müllverbrennung sein
Von Marina Mai
Von der 5.000 Quadratmeter großen Lagerhalle im Dong-Xuan-Center in Lichtenberg, die am Donnerstag abbrannte, stehen noch die Außenmauern und ein Gewirr an Metallträgern. Die Ware, die darin lagerte, Chemikalien für Nagelstudios, Textilien, Schuhe und Feuerzeuge, ist vollständig zerstört. Mehrere asiatische Großhändler aus dem Dong-Xuan-Center, denen die Halle als Warenlager diente, sind ruiniert. Jetzt wird nach der Brandursache gesucht.
„Wir ermitteln in alle Richtungen. Wir schließen weder eine Brandstiftung noch einen technischen Defekt aus,“ sagt Polizeisprecherin Patricia Brämer. Die Ermittlungen gestalten sich schwierig, weil bis Sonntag in der Ruine immer noch Glutnester gelöscht wurden, sodass die Polizei den Brandort nicht betreten konnte. Fest steht für die Polizei allerdings, dass das Feuer im Freien begann und über einen noch nicht entladenen Schiffscontainer auf die Halle übergriff.
Davon sind auch Berliner Vietnamesen überzeugt. Die taz hat mit vier Männern gesprochen, einem Gewerbetreibenden aus dem Dong-Xuan-Center, einem dortigen Kunden, einem Übersetzer und einer Lehrkraft.
Deren Darstellung nach sei es ein offenes Geheimnis unter Vietnamesen, dass das Feuer etwas abseits vom Dong-Xuan-Center durch Müllsammler gelegt worden sei, in der Absicht, Müll zu verbrennen. Der Gewerbetreibende spricht von „vier oder fünf Männern, die schwarz hier leben und arbeiten“, die er selbst gesehen habe, allerdings nicht auf frischer Tat, sondern erst als die Halle bereits voll entflammt war.
Seiner Darstellung nach würden sich diese Männer regelmäßig ihren Lebensunterhalt dadurch verdienen, dass sie für unterschiedliche Auftraggeber in dem Markt Verpackungen und anderen Müll einsammeln und entsorgen. Letzten Monat hatten Berliner Medien darüber berichtet, dass das Dong-Xuan-Center Anlaufpunkt für den organisierten Menschenhandel sei. Die Polizei hat die These allerdings relativiert und das Dong-Xuan-Center selbst sie zurückgewiesen.
Am Brandtag hätte nach Darstellung des Gewerbetreibenden eine Großhändlerin im Markt alte Möbel aussortiert und die sehr wahrscheinlich abtransportieren und verbrennen lassen. Auch die Lehrkraft und der Kunde sprechen von der Großhändlerin als Auftraggeberin der problematischen Müllentsorgung. Der taz ist der Name der Frau bekannt. Sie geht nicht ans Telefon.
Der Übersetzer hat noch detailliertere Angaben: Die Müllsammler hätten neben dem Großmarkt Pappen und Möbel entzündet. Als sie die Ausbreitung des Feuers bemerkten, hätten sie versucht, es zu löschen. Das misslang. Der Übersetzer war auch kein Augenzeuge des Vorfalls. „Aber es gibt Landsleute, die das so gesehen haben und es erzählen. Ich habe noch niemanden widersprechen hören.“ Weiter will er gehört haben, dass einer der mutmaßlichen Feuerleger aus Deutschland ausgereist sein soll aus Angst vor der Rache von Brandopfern. Auch die Polizei hat von der These von den Müllsammlern gehört. „Uns fehlen aber konkrete Zeugen“, sagt eine Sprecherin.
In Facebook-Gruppen von Berliner Vietnamesen sind die Angaben weniger präzise. Aber auch dort ist die Rede von Müllsammlern, die das Feuer gelegt haben sollen. Dort appellieren Händler aneinander, sich stärker um den Brandschutz zu kümmern. Beispielsweise wird die Angewohnheit einiger Mieter in Dong-Xuan-Center kritisiert, in ihren Verkaufsräumen mit einem Propangaskocher zu kochen, statt ins Restaurant zu gehen. Dadurch könne leicht ein Feuer entflammen, hieß es, insbesondere wenn der Kocher dicht neben entflammbarer Ware stünde.
Patricia Brämer, Polizeisprecherin
Kritik am Brandschutz im Asiamarkt kommt auch von der Politik und der Feuerwehr. Die Feuerwehr hatte bereits am Brandtag kritisiert, dass sie das Wasser aus weit entfernten Hydranten holen musste, was zu Beginn der Löscharbeiten wertvolle Zeit kostete.
Der FDP-Abgeordnete Stefan Förster hatte im Tagesspiegel den Bezirk kritisiert: Weil im Dong-Xuan-Center „leicht entflammbares Material in Größenordnungen liegt“ und es sich nicht um den ersten Brand am Ort handle, seien „schärfere Auflagen erforderlich“, so Förster. Der letzte Großbrand 2016 war durch Funkenflug bei Schweißarbeiten ausgelöst worden und führte ebenfalls zum Flammenmeer in einer Lagerhalle.
Nach Darstellung der Lichtenberger Baustadträtin Birgit Monteiro (SPD) verfügte die abgebrannte Lagerhalle über keine Sprinkleranlage. Die Lagerung leicht entzündbarer Ware war dem Bezirksamt nicht bekannt. Grund ist eine Gesetzeslücke, nach der in reinen Lagerhallen ohne Verkaufstätigkeit behördliche Kontrollen nicht vorgesehen sind.
In den Verkaufshallen werde hingegen regelmäßig der Brandschutz kontrolliert, sagt Monteiro. Letztes Jahr wurden 32 Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet, etwa wegen nicht genehmigter Umbauten, verstellter oder eingeengter Fluchtwege und Notausgänge.
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