abgelästert: Tief gekränkt
Wir müssen über Männer sprechen. Über gekränkte Männer. Einer, um den es dabei geht, heißt Marco Maurer. Der ist Ende 30, Journalist und gebürtiger Schweizer; Berner, um genau zu sein. Als Journalist arbeitet Marco Maurer von Hamburg aus, zumindest hat er das getan, nachdem er 2015 herzog, weil er „eine Stelle in einem guten Magazin bekam“. Eines, das am Baumwall der Verlag Gruner + Jahr produziert.
Oder produziert hat: Die Zeitschrift – besonderes Job-Plus: „nur zwei von vier Wochen im Büro“ – wurde eingestellt, aber vorher war schon Maurers Beziehung havariert, und das Modell „halb in Hamburg, halb in Zürich“: dahin.
Wem das Leben solche Umbrüche beschert, wer also plötzlich irgendwo seinen Mittelpunkt einzurichten hat, das aber gar nicht wollte: Dieser Ort und dieser Mensch können durchaus so ihre Schwierigkeiten haben miteinander, das kann man sich vorstellen.
Schrecklich viel mehr als das hat Maurer gar nicht geschrieben, vor ungefähr zwei Wochen in der Sonntagsausgabe der Neuen Zürcher Zeitung: „Wo gehöre ich hin?“ war der Text betitelt, in dem Maurer sich, eben, damit beschäftigte: Warum er sich an einem Ort besser aufgehoben fühlt als an einem anderen; ob es mit Menschen und Städten so sein könnte, wie es Menschen mit Menschen geht – manche also gut miteinander können, andere nicht so gut, und nochmal andere überhaupt nicht.
Womit wir bei der nächsten Kränkung wären, erlitten am Großen Burstah, in den Redaktionsräumen des Hamburger Abendblatts. Dort nahm man aus Maurers Text vor allem die Schmähung mit. „Eitel, hässlich, unsinnlich“ habe der Korrespondent Hamburg genannt in seiner „Abrechnung“, so hob man es am Donnerstag sogar auf den Titel (mitsamt, klar, Elphi-Optik). Dass Maurer auch eine Art Friedensschluss mit Hamburg beschreibt – zu Ungunsten Kölns übrigens – darauf kein Hinweis.
Drinnen interviewte, eine ganze Seite lang, Vize-Chefredakteur Matthias Iken den mit Schmutz schmeißenden Schweizer. Dass man einander nicht überzeugte – geschenkt. Ein Jubellokalpatriot war Maurer auch danach nicht. Dass das Standortblatt den NZZ-, Süddeutsche- und Zeit-Autor ausgerechnet unter Hinweis darauf vorstellte, er sei „ehemaliger Molkereifachmann“: Das hatte sicher nichts mit Rachsucht zu tun, nichts mit Stolz und nichts mit Kränkung.
Alexander Diehl
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen