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Englische Effizienz

Während sich Japan beim 0:2 als ziemlich von der Rolle präsentiert, kickt sich die Fußballaufholmacht der Lionesses immer mehr in die Favoritenposition

Ellen White zeigt Saki Kumagai und Emi Nakajima, wie man schneller an den Ball kommt Foto: Jean-Paul Pelissier/reuters

Aus Nizza Alina Schwermer

Normalerweise hört man in der Pressekonferenz nach dem Spiel milde Worte des Lobes. Asako Takakura aber hatte mit solcher Diplomatie nicht viel zu tun. „Ich bin mit nichts zufrieden, außer, dass wir weitergekommen sind“, erklärte die japanische Trainerin kühl. „Wir haben viel zu viel quer gespielt, ich habe ihnen das gesagt, aber meine Spielerinnen hatten keine Ideen, um aggressiver in die Spitze zu kommen.“ Und wenn die Übersetzerin sich nicht täuschte, sagte sie auch noch: „Wenn wir so weiterspielen, scheiden wir in der nächsten Runde aus.“

Die Kabinenansprache bei den Japanerinnen nach der 0:2-Niederlage gegen England hat sicher keinen Spaß gemacht. Takakuras Statements wirkten harsch, aber nicht falsch nach einem Spiel, in dem beide Teams spielerisch ähnlich stark waren, aber Japan wieder einmal mit dem eigenen Ballbesitz nicht viel anzufangen wusste. Allerdings obliegt es ja der Trainerin, taktische Lösungen zu finden. Die blieben aus. Es sieht bislang nicht so aus, als ob Japan den Schlüssel zum Toreschießen in diesem Turnier noch entdeckt.

Für die Engländerinnen wiederum ist Toreschießen selbst dann kein Problem, wenn sie einen Großteil des Spiels in der eigenen Hälfte verbringen. Vor allem in der ersten Viertelstunde dominierte Japan. Da war die Partie so hübsch anzusehen, wie die Paarung hoffen ließ: viel flache Kombinationen, viel edle Technik, nein, die Japanerinnen gaben sich nicht damit zufrieden, einfache Lösungen über außen zu suchen.

Hätten sie mal besser. Ballstaffetten über die starke Mana Iwaguchi durch die Mitte brachten zu Anfang ordentliche Chancen ein, eine angenehme Antithese zur Flanke-Kopfball-Spielweise vieler Teams bei dieser WM. Aber es ging eben nichts rein, und England presste stärker. Etwas überraschend mündete das gleich ins 1:0, die junge Georgia Stanway hatte einen herausragenden Pass auf Ellen White gespielt.

Es verstärkte sich der Eindruck: England machte nicht sein bestes Spiel, ein Tor schießen aber konnten die Lionesses jederzeit. Drei zielstrebige Pässe überwanden Japans Schlafwagenfußball. Auch Effektivität macht Weltmeisterinnen.

„Wenn wir so weiterspielen, scheiden wir in der nächsten Runde aus“

Asako Takakura, japanische Trainerin

Die Engländerinnen freuten sich nach dem Spiel vor allem über die Erfolgsgeschichte der 20-jährigen Georgia Stanway. Die noch taufrische Fußball-Aufholmacht England zelebriert ihre neuen Talente, so viel starken Nachwuchs ist sie nicht gewohnt. „Wenn sie so weitermacht, wird sie eine der besten Spielerinnen der Welt“, prophezeite Trainer Phil Neville. Vor dem Spiel, so die rührige Geschichte, habe er der nervösen Stanway gesagt: „Stell dir einfach vor, du kickst in einem Park in Cumbria mit Freunden.“

Die englische Physis war es vor allem, die den Japanerinnen das Spiel vermieste. Wenn Millie Bright oder Kapitänin Steph Houghton die Schulter ausfuhren, hatten Kumi Yoko­yama und ihre Kolleginnen keine Chance. Zunehmend ratlos wurde Japan und brachte vorne keinen Ball an die Frau; so wurde auch die Partie in der zweiten Hälfte etwas mühseliger: England spielte Catenaccio mit gelegentlichen Kontern, Japan agierte wie eine Platte mit nur einem Song, derselbe Angriffsversuch lief in Dauerschleife. Da wurde auch dem spärlichen Publikum bewusst, dass man vielleicht besser die spektakuläre Partie Schottland gegen Argentinien geschaut hätte. Immerhin, in der 84. Minute gab es nochmal ein toll herausgespieltes 2:0 von Ellen White.

Beide Teams stehen im Achtelfinale, Stimmungslage: recht gegensätzlich. England muss höchstens aufpassen, sich nicht selbst ins Durcheinander zu rotieren. Die Japanerinnen, Weltmeisterinnen 2011, Vizeweltmeisterinnen 2015 und derzeit im Umbruch, enttäuschten erneut. „Wir sind in eine negative Spirale geraten“, bilanzierte Trainerin Takakura. „In der K. O.-Runde müssen wir uns wirklich kollektiv verbessern, wir müssen auf ein komplett anderes Level.“ Recht hat sie.

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