: Verschleiertes Weihnachtsgeld für Beamte
In Niedersachsen bekommen Staatsdiener künftig mehr Geld. So sieht es der Finanzplan der Landesregierung für die nächsten Jahre vor. Auch für Radwege, den Wohnungsbau und den Klimaschutz Geld vorgesehen – zumindest ein wenig
Von Simone Schmollack
Wie geht es in Niedersachsen in den kommenden vier Jahren weiter? In die Zukunft kann zwar niemand schauen, aber in finanzieller Hinsicht gibt es (ein wenig) Aufschluss – in Form des Haushaltsplans. Den stellte die Landesregierung am Montag in Hannover vor.
Haushaltspläne sind eine überaus trockene und langweilige Angelegenheit, aber sie haben direkten Einfluss auf politische Entscheidungen: Wie viele Kitas werden gebaut, wie viele Radwege, Theater und Schlösser werden saniert? Erhalten Frauenhäuser dauerhaft Zuschüsse? Gibt es Geld, um die Fahrtaktzeiten der Busse zu verringern?
Eine kleine Verständnishilfe.
Was steht im Haushaltsplan?
Der Haushaltsplan für das Land Niedersachsen, den Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), Wirtschaftsminister Bernd Althusmann und Finanzminister Reinhold Hilbers (beide CDU) am Montag der Presse präsentierten, umfasst 34,7 Milliarden Euro. Das ist ein bisschen mehr als in diesem Jahr: Aktuell sind es knapp 33 Millionen. Das Budget soll bis 2023 auf 36,8 Milliarden Euro wachsen. Geld, das ausgegeben werden soll.
Dem Ausgabenplan gegenüber stehen sinkende Steuereinnahmen: Laut Finanzministers Hilbers fehlen der aktuellen Steuerschätzung zufolge bis 2023 rund 844 Millionen Euro. Ein Grund dafür sei, dass die Wirtschaft weniger wachse als erwartet.
Der größte Ausgabebrocken im aktuellen Budgetplan ist mit über neun Milliarden Euro für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur vorgesehen. Dazu zählen auch die Luft- und Raumfahrt. Für den Bereich Gesundheit, Umwelt und Sport sind 705 Millionen Euro veranschlagt. Für den Schuldienst etwa 1,8 Milliarden Euro.
Was heißt das alles konkret?
Beispiel Wohnungsmarkt: Für Wohnungswesen und Städtebau sieht der Haushaltsplan 311 Millionen Euro vor. In Niedersachsen fehlen bis 2035 geschätzt 300.000 Wohnungen. Bis 2022 soll die Zahl der Sozialwohnungen auf etwa 40.000 sinken, die Mietpreise steigen. Wofür genau diese Mittel eingesetzt werden sollen, ist nicht definiert – fraglich also, ob es wirkt.
Beispiel Straßenbau: 110 Millionen Euro sind für den gesamten Straßenbau eingeplant, 15 Millionen davon für den Bau neuer Radwege. Eine Million Euro sind für sogenannte Bürgerradwege vorgesehen – eine Art niedersächsischer Überraschungscoups: Es werden dort Radwege gebaut, wo es die Bürger*innen wünschen.
Beispiel Weihnachtsgeld für Beamt*innen: Das wurde 2004 aufgrund eines Haushaltslochs gestrichen. Jetzt wird es als Sonderzahlung wieder eingeführt. Danach sollen Beamt*innen in den unteren Besoldungsgruppen ab 2020 jedes Jahr 920 Euro zusätzlich erhalten. Vorher waren es 420 Euro. Alle anderen Beamt*innen erhalten laut Haushaltsplan 300 Euro. Anwärter*innen bekommen eine Prämie von 150 Euro.
Was sagen die Minister?
„Wir haben Mut zu unbequemen Entscheidungen gezeigt“, erklärte Wirtschaftsminister Althusmann. „Der Haushaltsplan kann sich sehen lassen, er ist eine gute Mischung aus Bedarfsanmeldungen der Ministerien und dem, was wirklich drin ist“, lobte Ministerpräsident Weil. Finanzminister Hilbers sah in dem Papier ein „zukunftsweisendes Ergebnis“.
Was sagen die drei wirklich?
Haushaltspläne bestehen aus vielen Zahlen, das ist der Sache geschuldet. Diese jenen Menschen nahe zu bringen, die es direkt betrifft, die Bürger*innen nämlich, ist anspruchsvoll und anstrengend. Aber es ist die Aufgabe von Politiker*innen, auch noch so komplizierte Sachverhalte ihres Tuns so zu übersetzen, dass jede und jeder sie verstehen kann.
Mit dem Haushaltsplan gelingt das kaum. Was sonst, wenn nicht ein verschleiertes Weihnachtsgeld sollen die Sonderzahlungen für Beamt*innen sein? Beamt*innen und Gewerkschaften fordern seit 2004, dass das Weihnachtsgeld wieder eingeführt wird. All die Jahre hat sich die Landesregierung dazu nicht verhalten. Boshafterweise könnte man darin auch billige Klientelpolitik sehen – im wahrsten Sinne des Wortes. Denn so viel wie in anderen Bundesländern bekommen die niedersächsischen Beamt*innen nicht.
Das Kabinett weiß sicher auch, dass es mit Demografie leicht Lorbeeren ernten kann. Auch in Niedersachsen kann man alt werden. Und die Alten wollen so lange wie möglich bei sich zu Hause wohnen bleiben. Warum dann nicht ein wissenschaftliches Pilotprojekt für Hausbesuche finanzieren: mit mageren 500.000 Euro.
Oder der Klimaschutz. Daran kommt auch die niedersächsische Landesregierung nach den „Friday for Future“-Demos nicht mehr vorbei. Was tun? Beispielsweise ein „Förderprogramm E-Mobilität“ auflegen und es mit 5,7 Millionen Euro finanzieren – verteilt auf drei Jahre, von 2020 bis 2023. Alles klar?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen