: Messe hat Appetit auf Fläche
Die Hamburg Messe und Congress GmbH will eine weitere Halle bauen. Dabei steht der ganze Standort mächtig unter Druck. Viele hätten die Messe gern ganz aus der Innenstadt verbannt
Von André Zuschlag
Wachsen, wachsen, wachsen: Die Hamburg Messe und Congress GmbH (HMC) hat auf ihrer Aufsichtsratssitzung vorigen Mittwoch beschlossen, dass die Planung um den Neubau einer zusätzlichen Messehalle fortgesetzt wird. Dass es zum Neubau einer zusätzlichen Messehalle kommen wird, daran lässt die HMC keinen Zweifel. „Die äußerst positive Entwicklung unseres Messegeschäftes stößt aktuell an physische Grenzen und erfordert bereits Behelfslösungen“, hieß es im Anschluss an die Sitzung. Allerdings bekommt die HMC gerade mächtig Gegenwind den Linken – und der SPD.
Die Linksfraktion will einen Antrag in die Bürgerschaft einbringen, wonach die Messe aus der Innenstadt ausziehen soll. Stattdessen soll auf dem Areal ein Wohn- und Arbeitsquartier entstehen. Unter den größeren Messen in Deutschland liegt nur die Hamburger mitten in der Stadt – eine Erfolgsgeschichte ist die Entwicklung seit der Erweiterung vor 12 Jahren allerdings nicht. Auch die regierende SPD sieht die Entwicklung der Messe äußerst kritisch. Die Auslastung hinsichtlich Anzahl der Messen und Besucher*innen liegt hinter den Erwartungen zurück. „Sollte sich herausstellen, dass dort wegen zu geringer Nachfrage gewisse Flächen nicht mehr gebraucht werden, muss man über eine Neuordnung nachdenken“, sagte SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf dem Hamburger Abendblatt. Auch die regelmäßigen Verluste des stadteigenen Unternehmens sorgen nicht gerade für gute Stimmung im Rathaus.
Und nun dennoch eine zusätzliche Halle? HMC-Sprecher Carsten Broockmann erklärt, dass die großen Messen, etwa die Gastronomiemesse Internorga oder die Schifffahrtsmesse SMM, auf dem Gelände an ihre räumlichen Grenzen stoßen. Zudem sei eine weitere Halle notwendig, um Gastveranstaltungen in Hamburg zu halten. „Die wollen auch weiter wachsen und würden im Zweifel woanders hingehen“, sagt Broockmann. Als drittes Argument verweist er auf die gestiegenen technischen Anforderungen von Veranstaltungen, die keine reinen Messen sind. „Bei Veranstaltungen, wie wir sie mit dem G20-Gipfel oder dem CDU-Parteitag hatten, braucht es eine Halle mit höchsten Anforderungen zur flexiblen Nutzung“, sagt Broockmann. Dabei ist das zumindest mit den physischen Grenzen so eine Sache: Bezogen auf die Gesamthallenfläche und die Veranstaltungstage liegt die Auslastung lediglich bei 41 Prozent.
Von einer Multifunktionshalle indes, in der regelmäßige Musik- und Sportveranstaltungen stattfinden könnten, will man bei der HMC nichts mehr wissen. Am Westende der Messe, zwischen Lagerstraße und Bahnhof Sternschanze, soll eine zwölfte Halle – ohne derartige Veranstaltungen – entstehen. Bisher wird das Gelände als Lager- und Parkplatzfläche benutzt. Die Nachricht, dass es dort auch Sport- und Musikveranstaltungen geben soll, hatte vorigen Monat eine Welle der Empörung in den angrenzenden Vierteln provoziert. „Das würde der Stadtteil nicht mehr aushalten“, sagte Bezirksamtsleiter Falko Droßmann. Diese Idee scheint nun vom Tisch. „Daran haben wir keinerlei Ambitionen“, beschwichtigt Broockmann.
Anwohner*innen hingegen bleiben skeptisch. „Dass eine Musik- und Eventhalle Gift für den schon völlig übereventisierten Stadtteil ist, ist Konsens“, sagt Henning Brauer vom Stadtteilbeirat Sternschanze. Doch selbst wenn statt einer Arena nun nur eine weitere Messehalle gebaut wird, wird es immer enger in den anliegenden Vierteln. Die Idee eines Umzugs der Messe stößt auf offene Ohren. Im anliegenden Karoviertel und in der Sternschanze wird die Messe eh als Problem gesehen. „Schon heute ist die Lagerstraße trotz dieser Fläche zu Auf- und Abbauzeiten für andere Verkehrsteilnehmer – gerade auch Radfahrer – durch viele wartende LKW nur noch eingeschränkt nutzbar“, sagt Brauer.
Nada Kukolj, die im Karoviertel wohnt und im dortigen Quartiersbeirat sitzt, kritisiert, dass bei den größeren Messen schon jetzt das Viertel aus allen Nähten platzt. Und ob die HMC wirklich kein Interesse an Sport- und Musikveranstaltungen hat, bezweifelt sie auch. „Nachdem bei der letzten Messeerweiterung Versprechungen, etwa hinsichtlich der Parkplatzsituation, nicht eingehalten wurden, ist das Vertrauen weg“, sagt Kukolj.
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